1915-03-26-DE-016
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Quelle: DE/PA-AA/R 20181
Zentraljournal: 1915-A.S.-1320
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 03/27/1915 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Hamburger Unternehmer Albert Ballin an den Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (Zimmermann)

Privatbrief


Hamburg, den 26. März 1915.

Persönlich!

Hochverehrte Excellenz,

In der Anlage gestatte ich mir Ihnen die Abschrift eines Briefes zu behändigen, welcher mir von meinem Vertrauensmann soeben zugegangen ist und bin, in alter Gesinnung,

Ihr aufrichtig ergebener


Ballin
Anlage

Abschrift.

Wien, den 24. März 1915

Sehr verehrter Herr Ballin,

Ich möchte nicht versäumen, Ihnen über die hiesige Sachlage nach dem Fall Przemysl’s kurz zu berichten. Die Stimmung bis in die höchsten und maszgebenden Kreise hinaus ist eine geradezu verzweifelte und hoffnungslose. Wie weit dies tatsächlich in der Sache begründet ist, entzieht sich meiner Beurteilung. Am meisten richtet sich die Befürchtung auf Italien, und sehr hohe Militärs sehen, trotz allen Vereinbarungen, mit Bestimmtheit einem Konflikte entgegen, welchem wir wehrlos gegenüberstehen würden.

Von einem Herrn, der am Ministerrate teilgenommen hat und der ähnliche Befürchtungen hegt, wurde mir gesagt, dass Tisza und infolgedessen auch Burian sich gegen Gebietabtretungen in der Bukowina ausgesprochen haben. Ob diese letztere Frage überhaupt noch zur Erwägung steht, weisz ich nicht. Herr von Wassilko, der in höchster Bestürzung zu mir kam, scheint die Sache infolge der politischen Wirkung des Falles von Przemysl als kaum mehr durchführbar oder doch nur mit wesentlich grösseren Opfern erreichbar anzusehen.

Die Wahrheit bezüglich der Dardanellen ist natürlich auch schon bekannt und die Folge der Forcierung kann sich jeder Hirtenknabe an den Fingern abzählen. Bezeichnender Weise haben diese Momente unleugbar auch eine gewisse verbitterte Stimmung gegenüber Deutschland hervorgerufen. Wie gewöhnlich sucht man nach dem Schuldigen und bleibt da nicht bei der eigenen Diplomatie und dem eigenen Generalstab stehen, sondern richtet die Anklage auch gegen Bülow, Tschirschky u.a.

Der Feldzug wird bereits soviel wie verloren angesehen, wenn nicht sehr mächtige Einflüsse in letzter Stunde entscheidend eingreifen sollten.

In größter Verehrung bin ich Ihr ergebener


[Weichs.]



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