1915-07-13-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon 96/Bl. 38-39
Botschaftsjournal: 10-12/1915/5498
Erste Internetveröffentlichung: 2010 April
Edition: Deportationsbestimmungen
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Ingenieur der Anatolischen Eisenbahn H. Antréassian an den Botschaftsrat Neurath in Konstantinopel

Schreiben


Constantinople, den 13. Juli 1915.

Sehr geehrter Herr Botschaftsrat!

Höflichst Bezug nehmend auf die Unterredung, welche Sie mir am vergangenen Freitag freundlichst gewährten, gestatte ich mir Ihnen, Ihrem Wunsche entsprechend, ergebenst mitzuteilen, dass bis zur Stunde, von den betreffenden beiden Herren noch keinerlei Nachricht wegen ihrer Befreiung eingegangen ist.

Gleichzeitig erlaube ich mir Nachstehendes zu Ihrer Kenntnis zu bringen. Als sich in der verlaufenen Woche die Nachricht verbreitete, dass die ganze armenische Bevölkerung der Küstenstädte am Schwarzen Meer, Männer, Frauen und Kinder, nach dem Innern Klein-Asiens und zwar bis nach Mossul deportiert werden, und als einige von dort eingegangene Telegramme diese Nachricht bestätigten, hatte ich grosse Sorge um meine Eltern, die in Ordou ansässig sind. Um mir eine Gewissheit zu verschaffen, telegraphierte ich sofort meinem Vater und bat um Nachricht. Soeben erhalte ich den telegraphischen Bescheid der Postanstalt in Ordou, dass meine Depesche nicht zugestellt werden konnte, da der Adressat nach dem Innern des Landes verschickt worden ist.

Sie werden meinen Kummer begreifen, wenn sie sich vergegenwärtigen wollen, dass mein Vater und meine Mutter nahezu 70jährige, kranke Greise sind, welche in dieser Weise gezwungen worden sind, mit einem 5jährigen Wesen, einem Enkel, Haus, Hof und Gut zu verlassen und die Reise nach Mossul anzutreten, welche sie in Ermanglung von Wagen, Lasttieren und auch Barmittel zu Fuß kaum in 40 bis 50 Tagen erreichen können, so dass man mit Bestimmtheit sagen kann, dass sie einem sicheren und baldigen Tode entgegen gehen.

Da die Sache ein sehr schnelles Eingreifen erfordert, werde ich heute noch in dieser Angelegenheit ein Gesuch an den Kriegsminister, Seiner Exz. Enver Pascha, der mich von seiner Militär-Attaché-Zeit her in Berlin gut kennt, einreichen und um seine Intervention bitten. Es ist zweifellos, dass eine gleichzeitige Fürsprache und Beeinflussung seitens der Kaiserlich Deutschen Botschaft eine günstige Wendung in dieser schmerzlichen Angelegenheit herbeiführen kann. Ich bitte Sie daher inständigst, die nötigen Schritte an geeigneter Stelle freundlichst tun zu wollen, damit an diesen Unschuldigen zugefügte, furchtbaren Unrecht sobald wie möglich wieder gut gemacht wird.


Mit aufrichtigem Dank und vorzüglichster Hochachtung.
Ihr ergebener
H. Antréassian.
[Anmerkung Neurath 14.7]

Das kann ich zur Zeit nicht. Es hilft auch nichts.



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