1914-07-14-DE-001
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1914-07-14-DE-001
Quelle: DE/PA-AA/R 1913
Zentraljournal: 1914-A.S.-1207
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 07/14/1914 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 533
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an den Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim)

Telegraphischer Erlaß



Abschrift Wien, Nr. 910; Constantinopel Nr. 533
Berlin, 14. Juli 1914

Zu EW. pp. vertraulichen Information:

Graf Szögyény las mir heute einen Erlaß des Grafen Berchtold vor, wonach dieser den Markgrafen Pallavicini darüber befragt hat, ob seiner Meinung nach die Türkei zum Anschluß an die europäischen Zentralmächte zu gewinnen wäre. Der Botschafter hat sich ungefähr dahin ausgesprochen, daß in Constantinopel zur Zeit eine gewisse Neigung, sich Rußland zuzuwenden, nicht zu verkennen wäre. Diese Tendenz werde durch ein reges Mißtrauen gegen Italien wegen seiner den Türken verdächtigen Aspirationen in Kleinasien noch bestärkt. Zudem seien Rußland und Frankreich in Constantinopel stark an der Arbeit. Am ehesten würde die Türkei an Österreich und den Dreibund Anlehnung suchen, wenn die Monarchie durch energisches und erfolgreiches Vorgehen gegen Serbien sich wieder eine entscheidende Stellung im Balkan sicherte. Hieran anknüpfend, hat Graf Berchtold den Grafen Szögyény beauftragt, meine Ansicht darüber einzuholen, ob es nicht angezeigt erscheine, die Türkei schon jetzt zum Anschluß an die Zentralmächte zu bewegen.

Ich habe erwidert, daß meiner Ansicht nach, die übrigens auch von dem Kaiserlichen Botschafter in Constantinople geteilt werde, die Türkei für die nächsten Jahre wegen ihrer schlechten Armeeverhältnisse nur als passiver Faktor angesehen werden könne. Zu einer aggressiven Haltung gegen Rußland wäre sie außer Stande. Zudem würde sie, wenn wir ihr den Anschluß an unsere Gruppe vorschlügen, unzweifelhaft auch ihrerseits Forderungen an uns stellen. Einen absoluten Schutz gegen Angriffe Rußlands auf Armenien z.B. könnten wir ihr aber garnicht gewähren. Ich glaube, daß die Türkei in ihrer jetzigen Lage gar keine andere Haltung einnehmen könnte, als zwischen den Mächten hin und her zu pendeln bezw. sich der stärkeren und erfolgreicheren Gruppe anzuschließen. Sollte Rumänien fest zum Dreibund stehen, und etwa Bulgarien auch an unsere Gruppe Anschluß suchen, so würde das zweifellos auch auf die Haltung der Türkei Einfluß üben. Jetzt eine Demarche im Sinne der Anregung des Grafen Berchtold in Constantinopel zu machen, erschiene mir zwecklos, wenn nicht - wegen 2 zu erwartenden und unerfüllbaren Forderungen von Gegenleistungen - bedenklich.


[Jagow]



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved