1916-08-27-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20094
Zentraljournal: 1916-A-23151
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 08/29/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1890
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Bern (Romberg) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Bern, den 27. August 1916

Unser Freund Anton hat aus Rom nachstehende Mitteilung erhalten:

„Zweifellos ist eine Aenderung in der Haltung Italiens eingetreten und eine Kriegserklärung ist im Anzug. Die Landung eines grösseren Truppenkontingentes in Saloniki (in der Stärke eines Armeekorps mit Hilfstruppen) unter dem Kommando des Generals Pettiti ist gestern hier offiziell publiziert worden. Der Umschwung in der Stimmung des Landes zeigt sich nun darin, dass diese Tatsache, welche vor Monaten noch von vielen als höchst gefährliches Experiment bezeichnet worden wäre, jetzt günstig aufgenommen wird. Man erblickt darin das deutliche Zeichen eines engeren Anschlusses an die Entente und anderseits glaubt man, dass die Teilnahme an diesem neuen Balkankrieg eine sichere Gewähr dafür biete, dass Italien gewillt sei, am Programm seiner Mittelmeerpolitik festzuhalten und bei der Regelung der durch diesen Krieg aufgerollten Balkan- und Orientfragen ein Wort mitzureden. Interessant ist auch zu sehen, dass Minister Arlotta in seiner Rede über die Ergebnisse der Konferenz in Pallanza besonders darauf hingewiesen hat, dass man sich mit England verständigt habe über die Durchführung des wirtschaftlichen Krieges gegen die Zentralmächte, welcher nach Friedensschluss unter Führung Englands betrieben werden soll. So wäre schon eine Verständigung erzielt worden, nach welcher Italien auch nach dem Krieg mit englischer Kohle versehen werden soll.

Angesichts dieser Verhältnisse habe ich die Ueberzeugung, dass man hier von der Annahme ausgeht, Deutschland werde von sich aus an Italien den Krieg erklären, weil letzteres an der Balkanexpedition teilnimmt, und weil es sich verpflichtet zu haben scheint, den wirtschaftlichen Krieg auch nach Friedensschluss forzusetzen. Ich habe den Eindruck, dass ein solches Vorgehen Deutschlands hier gerne gesehen würde, weil dadurch Italien der Schritt erspart würde, der doch kommen muss, und der, wenn er von hier ausgehen würde, doch deutlich zeigen würde, dass man sich zwar lange gesträubt hat, aber nunmehr doch endgültig auf eigene politische Erwägungen verzichtet hat, und ganz der englischen Machtpolitik ausgeliefert ist.

Ueber die Frage des Eintritts von Rumänien auf Seiten der Entente habe ich sehr oft mit einem Sekretär der rumänischen Gesandtschaft gesprochen. Im Gegensatz zu seinem Chef, der sich jetzt täglich wieder auf der Consulta einfindet, um seiner Freude und Ungeduld in den gewagtesten Kombinationen Ausdruck zu verleihen, ist dieser höchst betrübt über den Gang der Dinge. Er meint, dass sich Bratianu schliesslich entschlossen habe, dem starken Druck Russlands nachzugeben, nachdem er lange Zeit das mögliche getan hatte, um seinem Lande diesen Krieg zu ersparen, dessen Ausgang doch sehr problematisch ist. Die Russen wollen den Durchgang durch die Dobrudscha erzwingen und die rumänische Regierung hält dafür, dass bei der jetzigen Lage der Dinge nicht daran zu denken sei, diesem Zwange Widerstand zu leisten. Da man aber weiss, dass dieser Durchmarsch russischer Truppen zum Kriege Rumäniens mit den Zentralmächten führen muss, soll man mit Russland ein Abkommen getroffen haben, nach welchem dieser Durchmarsch erst erfolgen darf, nachdem verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein werden. Es handelt sich dabei hauptsächlich um die Sicherung des Munitionsnachschubes und um Deckung gegenüber Bulgarien. Auch die Engländer und Franzosen sollen dringend den Durchmarsch verlangen, um diesen mit der inzwischen begonnenen Offensive Sarrail’s strategisch verbinden zu können.“


Romberg



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