1914-12-14-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 20174
Zentraljournal: 1914-A-34782
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 12/14/1914 04:00 PM
Telegramm-Ankunft: 12/14/1914 07:37 PM
Praesentatsdatum: 12/15/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1615
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 1615.

Konstantinopel, den 14. Dezember 1914.

Feldmarschall Freiherr von der Goltz bittet mich zu melden, daß er die Könige von Rumänien und Bulgarien wenig geneigt gefunden habe, in den Krieg einzugreifen. Beide Monarchen wollten die Entscheidung in Polen abwarten, wobei bei König Ferdinand der Wunsch vorherrsche, daß wir die Oberhand gewinnen und daß Bulgarien sich uns dann anschliessen könne. Im übrigen bestätigen die von Freiherrn von der Goltz im Balkan gewonnenen Eindrücke durchaus meine Auffassung, daß nicht nur die Entwicklung der Dinge im Orient sondern vielleicht der Ausgang des Krieges jetzt von der Frage der Verbindung zwischen Bulgarien und Österreich über Serbien abhängt. Sobald dieser Weg offen ist, wird Bulgarien sicher in Aktion treten und durch Besetzung Mazedoniens definitiv das Tischtuch zwischen Russland und Bulgarien zerschneiden. Der Druck Österreichs, Bulgariens und der Türkei auf Rumänien würde dann so stark werden, daß letzteres mitgerissen werden könnte. Es eröffnet sich dann die Perspektive auf eine gemeinsame Aktion in Richtung auf Bessarabien und damit eine Bedrohung der vitalen Teile Russlands. Solange die Verbindung gesperrt bleibt wird die Haltung Bulgariens schwankend bleiben und dem Plane Russlands Vorschub geleistet, eine neue Armee bei Kischinew zu konzentrieren und dieselbe unter Mitreissung Rumäniens gegen die südöstliche österreichische Flanke anzusetzen. Auch der Ausgang der türkischen Operationen hängt fast ausschließlich von der Freiwerdung der serbischen Wasser- und Landverbindungen ab. Der Zeitpunkt läßt sich genau berechnen, zu welchem die Türkei ihre kriegerischen Aktionen beschränkt und schliesslich einstellt. Egypten kann nicht erobert werden, wenn der Munitionsnachschub und die schweren Geschütze fehlen; in den Meerengen fehlt es an Minen. Auch Göben kann nur solange fahren als ihre Munition reicht. Die Ausfuhr türkischen Kupfers nach Deutschland bleibt vorläufig ausgeschlossen.

Soweit die hier vorliegenden Nachrichten es erkennen lassen haben die Österreicher in Serbien abermals eine schwere Niederlage erlitten, jetzt berechtigte Zweifel entstehen ob Österreich überhaupt noch die bulgarische Grenze wird durchdringen können. Jedenfalls kann die so dringend wünschenswerte Beschleunigung des Erfolges nur dadurch erreicht werden, daß wir auf jeden Fall Armeekorps nach Serbien detachieren. Das Erscheinen deutscher Truppen an der bulgarischen Grenze würde in Bulgarien und Rumänien einen enormen Eindruck machen. Ein solcher würde vielleicht schon dadurch hervorgebracht werden, daß wir in Sofia anfragen, ob Bulgarien eventuell den Durchmarsch deutscher Truppen durch Bulgarien gestatten würde. Tatsächlich würde uns die Freiwerdung des serbischen Weges die Möglichkeit eröffnen, England in Egypten mit deutschen Truppen anzugreifen.


[Wangenheim]



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