1916-06-26-DE-007
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Quelle: DE/PA-AA/R 20084
Zentraljournal: 1916-A-18551
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 07/14/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: J. Nr. 601
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Vize-Konsul in Alexandrette (Hoffmann-Fölkersamb) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Damaskus, den 26. Juni 1916

Streng vertraulich.

Der Oberkommandierende der vierten Armee Dschemal Pascha hat am 17. dieses Monates sein Hauptquartier von hier nach Jerusalem verlegt um bei dem in ein bis zwei Wochen geplanten Vorgehen gegen den Kanal in der Nähe des ersten Expeditionskorps zu sein. Er soll seine Rückkehr hierher für das Freiheitsfest am 24. Juli vorgesehen haben. Aus der Bevorzugung von Damaskus als Sitz des Hauptquartiers der vierten Armee geht schon hervor, dass Dschemal Pascha der egyptischen Expedition eine geringere Bedeutung geschenkt als der politischen Wiedereroberung Syriens. Der deutsche Kommandeur des ersten Expeditionskorps Oberst Freiherr von Kress würde es lieber sehen, wenn sich Dschemal Pascha bisher näher dem Aufmarschgebiet des Expeditionskorps, sei es in Jerusalem oder in Bis es Seba aufgehalten hätte und sich mehr mit den militärischen Vorbereitungen für die egyptische Expedition als mit der syrischen Politik befassen würde. Während von Kress den deutschen Standpunkt vertritt, dass zur Zeit alle Kräfte dafür verwendet werden sollten, möglichst viele feindliche Truppen in Egypten festzuhalten, stellt sich Dschemal Pascha auf den türkischen Standpunkt, dass der gegenwärtige Augenblick, vor allen dazu auszunutzen sei um das durch jahrelange feindliche Wühlarbeit zersetzte Syrien für die Türkei zu sichern bevor die feindlichen Intrigen nach dem Frieden von Neuem beginnen. Ich glaube auch, dass Dschemal Pascha im Interesse der Zukunft der Türkei eine zu scharfe Auseinandersetzung mit England für nicht opportun hält, umsomehr als er die Eroberung Egyptens durch die Türkei in absehbarer Zeit für aussichtslos ansieht. Ferner ist er ein Gegner des abgesetzten Chediven Abbas Hilmi, für dessen Rückkehr er wenig Interesse zeigt.

Aus verschiedenen Gesichtspunkten sind Reibereien zwischen von Kress und Dschemal Pascha unvermeidlich. So trat von Kress für die vorläufige Einstellung des Weiterbaus der Eisenbahn über Hafir el Audsche ein, weil nach seiner Ansicht die für das Expeditionskorps erforderlichen Transporte nicht neben denen für die Baumaterialien in gewünschtem Masse von der Eisenbahn bewältigt werden können und erstere durch die letzteren verzögert würden. Dschemal Pascha befahlt trotzdem den Weiterbau angeblich um möglichst weit an den Kanal zu kommen, damit eine später beabsichtigte grössere Expedition leichter durchgeführt werden könnte. Die Fortführung der Eisenbahn bedeutet zweifellos eine wachsende Bedrohung Egyptens. Mit der Fortführung der Eisenbahn scheint mir aber der Politiker Dschcmal Pascha vor allem ein möglichst weites Gebiet vom Sinai äusserlich besetzen zu wollen, um es als Kompensationsgebiet (zum Beispiel für Bassorah) im Frieden ausnutzen zu können. Als ich gelegentlich eines Abendessens bei mir diesem Gedanken Ausdruck gab, beanspruchte der junge Generalstabschef der vierten Armee Oberstleutnant Ali Fuad Bey stolz die Vaterschaft dieses Gedankens.

Ich habe ferner den Eindruck, dass Dschemal Pascha zu den Jungtürken gehört, die später eine Abrechnung mit Bulgarien herbeiführen möchte und hierbei auf eine Unterstützung seitens Englands rechnen. Als neulich ein deutscher Herr den vierjährigen Sohn Dschemal Pascha’s in Gegenwart des letzteren nach unseren Feinden fragte, zählte er nach den Russen, Franzosen und Engländern die Bulgaren auf. Ich frage Dschemal Pascha scherzhaft, ob er sein Söhnchen in diesem Geiste erziehe. Er erwiderte mir darauf, dass er seine antibulgarischen Gefühle nicht unterdrücken könne.

Bericht gleichen Inhalts ist an die Kaiserliche Botschaft gegangen.


Löytved Hardegg



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