1915-12-19-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 20037
Zentraljournal: 1915-A-37402
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Praesentatsdatum: 12/28/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: J.Nr. 1163/K.Nr. 75
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Konsul in Varna (Franoux) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Varna, den 19. Dezember 1915

Nachdem am 3. d.M. ein Vorkommando bestehend aus 4 Offizieren unter Führung des Hauptmanns Clemens hier eingetroffen und die zur Aufnahme der deutschen Truppen getroffenen Vorbereitungen eingehend besichtig und für gut befunden hatte, traf am 7. d.M. vormittags 9 Uhr das 1. Bataillon des Königlich Preussischen Infanterie-Regiments von Borcke (4. Pommersches) Nr. 21 und gegen 1 Uhr das 2. Bataillon des Regiments mit dem Regimentskommandeur, Herrn Oberstleutnant Lüdecke ein.

Auf dem Bahnhof war zum Empfang bei Eintreffen beider Züge der Kommandant des befestigten Platzes Varna, Herr General Jankoff, an der Spitze des gesamten ihm unterstellten bulgarischen Offizierskorps erschienen, ebenso die Spitzen der hiesigen Zivilbehörden. Ehrenkompagnien mit Musik waren gestellt. Die Begrüßung war eine äussert herzliche.

Nach Erledigung der üblichen Formalitäten formierten sich die Truppen zum Einzug in die Stadt. Geführt von General Jankoff an der Spitze die gesamten bulgarischen Offiziere zogen unsere Truppen mit den Bulgarischen Truppen in die Stadt Varna. Dicht gedrängt stand die Bevölkerung in den auf das Festlichste mit Fahnen geschmückten Strassen, um das Schauspiel zu sehen. Die Truppen wurden begeistert begrüsst und mit Blumen bedeckt.

Vor der Mairie nahmen die höheren Offiziere dann nochmals Aufstellung, hier begrüßte der Bürgermeister von Varna unsere Truppen im Namen der Stadt und Damen überreichten unseren Offizieren Blumen. Abends fand ein grosses Diner im Militärklub statt.

In den nächsten Tagen setzten sich die Transporte weiter fort und werden auch noch einige Zeit dauern.

Seitens der militärischen Behörden ist alles Menschenmögliche getan worden, den Aufenthalt für unsere Truppen hier tunlichst angenehm zu gestalten. Der Kommandant General Jankoff ist selbst unermüdlich tätig gewesen, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, und hat es sich nicht nehmen lassen, selbst bis ins Einzelne die Ausführung der Unterbringungsarbeiten zu überwachen. Seine Massnahmen haben die grösste Anerkennung seitens unserer Offiziere gefunden.

In der Nacht 13/14. d.M. traf dann von Schumla kommend der Kommandeur der 105. Preussischen Division, Seine Exzellenz Herr Generalleutnant von Kraewell, hier ein. Am 14. wurde seine Exzellenz feierlich vor dem Militärklub von den Militär- und Zivilbehörden empfangen. Der 14. und 15. war mit Besichtigungen der Gegend und militärischen Besprechungen ausgefüllt und am 16. fand die grosse Parade der hier liegenden deutschen und bulgarischen Truppen statt. Eine ungeheure Volksmenge war zu dem militärischen Schauspiel erschienen und verfolgte gespannt den Verlauf. Den grössten Eindruck macht es, als nach Beendigung der Parade Herr General Jankoff auf Einladung Seiner Exzellenz sich an die Spitze der deutschen Truppen setzte und diese durch die Stadt bis zum Militärklub führte und Seine Exzellenz an der Spitze der bulgarischen Truppen einzog. Nach der Parade gab die Stadt Varna ein Frühstück zu Ehren Seiner Exzellenz. Am 17. verliess Exzellenz von Kraewell Varna und reiste nach Schumla zurück.

Die Aufnahme unserer Truppen hier in Varna war eine derartige, wie man sie noch vor ganz kurzer Zeit für ganz unmöglich gehalten hätte. Varna ist stets eine Hochburg der Russophilen gewesen, hier galt der russische Kaiser mehr fast als der eigene König. Auch nach der Mobilmachung kam bei vielen Varnoten der Russophilismus noch zum Ausdruck, wenn auch aus Frucht vor dem sehr energischen General Jankoff nur wenige es wagten, öffentlich mit ihrer russischen Gesinnung hervorzutreten. Ein grosser Umschwung in der öffentlichen Meinung trat hier nach dem Bombardement der Stadt durch die Russen am 27. Oktober d.J. ein. Dieses Bombardement war, wenigstens soweit die hiesige Gegend in Betracht kommt, ein grosser Fehler seitens der Russen.

Das Verhältnis zwischen der hiesigen Bevölkerung und unseren Truppen scheint sich recht gut zu gestalten.


Franoux



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