1915-03-19-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 22404
Zentraljournal: 1915-A.H.-1031
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 6326 P
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Reichskanzler (Bethmann Hollweg) an den Chef des Generalstabes (Falkenhayn)

Schreiben


Großes Hauptquartier, den 19. März 1915

Nr. 6326 P

U[m] R[ückgabe] dem Herrn Chef des Generalstabs des Feldheeres, hier, im Anschuß an das Schreiben vom 16.3. d.M. wegen des Bagdadbahnbaus ergebenst übersandt.


Mutius

Chef des Generalstabes des Feldheeres an Ausw. Amt, Hauptquartier

Gr. H.Qu. 22.3.15

Urschriftlich mit 3 Anlagen dem Auswärtigen Amt mit ergebenstem Dank zurückgereicht.

E.A. u. i.V.

[Unterschrift]

Anlage 1

[erstellt am 23. November 1914]

I


Die folgende Untersuchung hat den Zweck festzustellen, in welcher Zeit, mit welchen Aufwendungen und durch welche Massnahmen es unter Aufbietung aller Kräfte sich erreichen liesse, die Bagdadbahn von Karapounar bis nach Bagdad soweit fertigzustellen, dass auf ihr regelmäßige Bahntransporte zu militärischen Zwecken durchgeführt werden können.

Die bisher angestellten Ermittlungen haben folgendes ergeben:

1.

Da die Strecke von Tl. Abiad bis Rasulein (977 km) voraussichtlich am 1. April 1915 dem Betrieb wird übergeben werden können, so werden bis zu diesem Zeitpunkt noch folgende Teilstrecken unfertig sein:

a) von Belemedik (km 292) bis Dorak (km 329) = 37 km
b) von Mamouré (km 468) bis Islahié (km 521) = 53 km
c) von Islahié bis Radjou (km 567) = 46 km
d) von Rasulain (km 979) bis Nissibin (km 1100) = 121 km
e) von Nissibin bis Takrit (km 1530) = 415 km
f) von Takrit bis Samarra = 50 km
zusammen = 722 km

Von diesen Teilstrecken ist zurzeit der Baubetrieb nur im Gange auf den Strecken Mamouré bis Islahié und zwar speziell der Bau des Bagtsche-Tunnels, ferner der Bau des Belemedik-Tunnels (km 293-294,6), der Bau der Euphratbrücke und die Verlegung des Oberbaus auf der Strecke von Tel Abiad in der Richtung nach Rasulain. Alle übrigen Arbeiten ruhen.

Auch der Bau des Bagtsche-Tunnels würde unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur solange fortgeführt werden können, als die vorhandenen Materialien, namentlich Kohlen, Schmieröl, Sprengmaterial, Kalk, Zement, ausreichen, also noch etwa 4-5 Monate.

Ein forcierter Weiterbau der Bagdadbahn ist daher nur möglich, wenn es gelingt, regelmässige Materialtransporte von Deutschland nach Karapounar durchzuführen, wenn ferner das erforderliche Personal an Beamten und Arbeitern beschafft werden kann und die jeweils erforderlichen erheblichen Geldmittel für Löhnung der Arbeiter und für die sonstigen Ausgaben in der Türkei mit Sicherheit zugeführt werden können. Nimmt man an, dass diese Bedingungen erfüllbar sind, dass ferner die türkische Regierung uns weitgehend unterstützt, nötigenfalls die fehlenden Arbeiter durch Soldaten ersetzt, für genügenden Schutz unserer Beamten und der betroffenen Einrichtungen sorgt, keine Schwierigkeiten bei der definitiven Tracierung der Linie macht und uns den zum Bahnbau erforderlichen Grund und Boden stets sofort überweist, so lässt sich folgendes Bauprogramm durchführen:

2.

a) Auf der Strecke von km 292 bis 306, wo hauptsächlich Tunnels und Brücken auszuführen sind, könnte etwa drei Monate nach Erteilung des Auftrages, frühestens jedoch am 1. März 1915, mit dem vollen Baubetrieb begonnen werden. Ausschlaggebend sind die beiden grossen Tunnels von km 300,5 bis 303,2 und von 303,5 bis 305,7. Der längste in diesen beiden Tunnels noch auszuführende Sohlstollen ist rund 2200 m lang. Er könnte in günstigstem Falle in 10 - 13 Monaten fertiggestellt werden, so zwar, dass dann ein Gleis hindurchgelegt und Eisenbahnwagen hindurchgeführt werden könnten. Der weitere Ausbau dieser beiden Tunnels müsste dann bis zur Wiederkehr normaler Zeiten verschoben werden.

In derselben Zeit von 10 - 13 Monaten nach Baubeginn, also 13- 16 Monate nach Erteilung des Auftrages würden auch die Tunnels und Brücken der Strecke von Karapounar bis km 300,5 fertiggestellt werden können, sodass also der provisorische Betrieb der Strecke von Karapounar bis Hadjkiri (km 306) in dem gesamten Zeitraume von 13 - 16 Monaten nach Erteilung des Auftrages zu erreichen wäre.

b) Auf der anschliessenden Strecke von km 306 bis Dorak, die viele Schwierigkeiten bietet, könnte in Frage kommen, provisorisch eine Schmalspurbahn von 1m Spurweite anzulegen, um die schwierigen Stellen (Tunnels, tiefe Einschnitte und hohe Dämme, Brücken pp) zu vermeiden und die möglichst frühzeitige Fertigstellung dieser Strecke zu erreichen.

Von km 306 bis 311 ist, abgesehen von Giaur-Déré-Viadukt (bei km 307) das Bahnplanum schon fertig. Ebenso läßt sich von Dorak (km 329) bis km 332 die Strecke leicht definitiv fertigstellen. Es bleibt also im wesentlichen die Strecke von km 311 bis km 323 und der Giaur-Déré-Viadukt übrig.

Es muss meines Erachtens versucht werden, auch den Bau dieser zweiten Strecke, wenn auch zunächst nur provisorisch, nach der definitiven Trace so zu betreiben, dass sie ebenfalls bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung von Belemedik bis Hadjkiri fahrbar wird und zwar in Normalspur. Für den Giaur-Déré-Viadukt wird wahrscheinlich eine provisorische Brücke vorgesehen werden müssen. Von der Einführung der Schmalspur muss namentlich deshalb abgesehen werden, weil die Bagdadbahn für einen forcirten Baubetrieb bis Bagdad hin nicht genügend Wagen und Lokomotiven jenseits des Taurus besitzt. Es müssen also unbedingt neue Wagen und Lokomotiven zugeführt werden, was bei Einführung einer schmalspurigen Strecke zwischen Hadjkiri und Dorak auf grosse Schwierigkeiten stossen dürfte.

Nimmt man an, dass etwa am 1. Januar 1915 der definitive Auftrag zur Forcirung des Bagdadbahnbaus erteilt würde, so könnte etwa am 1. April 1916 die Strecke von Belemedik bis Dorak fahrbar sein.

c) Die zweite wichtige Strecke ist die von Mamouré bis Islahié. Der Tunnelbau bei Bagtsche, der, wie schon erwähnt, jetzt nur für 4 - 5 Monate gesichert ist, könnte ebenso wie der Bau der beiderseitigen Rampen nur genügend gefördert werden, wenn man schon etwa von März oder April 1915 ab Materialien zuführen kann. Diese Zuführungen müssten von Deutschland über Konstantinopel bis Bozanti erfolgen und die Materialien müssten von hier auf der bestehenden Strasse von Bozanti bis Ghulek-Bogas bezw. Tarsus transportirt werden. Diese Strasse durch die cilicische Pforte ist im allgemeinen von nicht schlechter Beschaffenheit. Nur an einigen Stellen ist sie so ungünstig in ihren Steigerungsverhältnissen, dass hier eine Verbesserung der betreffenden Strassenstrecke vorgenommen werden müsste, so zwar, dass man mit Lastautomobilen von Bozanti nach Ghulek bezw. Tarsus fahren kann. Wenn diese Transporterleichterung geschaffen und die erforderlichen Lastautomobile rechtzeitig geliefert werden, so könnte die ganze Strecke von Mamouré bis Islahié ebenfalls bis 1. April 1916 definitiv fertiggestellt werden.

Bis zu demselben Zeitpunkte würde auch von Aleppo aus die noch fehlende Strecke von Radjoun bis Islahié bezw. bis Entilli fertiggestellt werden können, sodass am 1. April 1916 eine durchgehende Verbindung von Konstantinopel bis Aleppo und darüber hinaus gesichert wäre.

d) Die Euphratbrücke wird schon am 1. Juli 1915 betriebsfähig sein.

e) Der Weiterbau auf der Strecke von Rasulain in der Richtung nach Bagdad würde sich so vollziehen, dass bis 1. Januar 1916 die Strecke bis Aroudé (km 1019) fertiggestellt wird. Die Erdarbeiten dürften zwar schon vorher in der Richtung nach Mossul weitergeführt werden, dagegen könnte das Vorstrecken des Oberbaues nicht stärker forcirt werden, weil der vorhandene Oberbau nur bis nach km 1019 ausreicht und neue Oberbaumaterialien erst dann herangeführt werden können, wenn die Verbindung über den Taurus und Amanus vollendet ist. Erst am 1. April 1916 könnte das Vorstrecken des Gleises von Aroudé (km 1019) aus erfolgen.

Der Unterbau der ganzen Strecke von Aroudé bis Tekrit müsste in der Zwischenzeit so forcirt werden, dass das Vorstrecken des Gleises mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km im Monat keinerlei Unterbrechung erfährt. Auf diese Weise wäre es möglich, bis 1. Mai 1917 mit dem Gleise nach Tekrit zu gelangen.

f) Von Samarra aus könnte das Gleis zunächst nur bis Tekrit vorgestreckt werden, weil nur bis dahin genügend Oberbaumaterial in Bagdad vorhanden ist.

Hiernach wäre es, wie sich aus dem beiliegenden graphischen Bauprogramm ergiebt, möglich, am 1. Mai 1917 einen durchgehenden Verkehr von Konstantinopel bis Bagdad zu schaffen. Natürlich wird die Strecke namentlich hinsichtlich der Beschotterung noch an vielen Stellen Mängel aufweisen, weil es bei der Schwierigkeit der Schotterbeschaffung überhaupt kaum möglich sein wird, das gesamte Schottermaterial in der angegebenen Zeit beizubringen. Ebenso werden die definitiven Hochbauten erst später fertiggestellt werden können.

Auch die Wasserbeschaffung wird erhebliche Schwierigkeiten verursachen, die sich vorwiegend dadurch beseitigen lassen, dass in den Zügen besondere Wasserwagen mitgeführt werden.

3.

Solange für die Zufuhr der Baumaterialien der Seeweg gesperrt und lediglich der Landweg über Konstantinopel-Bozanti offen ist, bedarf es bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Bahngleises durch den Taurus über den Amanus noch einiger besonderer Vorkehrungen, um die für die Strecke Mamouré - Islahié und Rasulain - Tekrit erforderlichen Materialien, insbesondere Kalk, Zement, Sprengmaterial, Baugerät usw. den Strecken zuzuführen.

Ausser der bereit unter der Ziffer 2 c) erwähnten nötigen Verbesserungen der Strasse Bozanti - Ghulek bezw. Tarsus müsste auch die bestehende Strasse von Mamouré über Hassan-Beyli nach Entilli und ferner die Strasse von Alexandrette nach Katma soweit hergerichtet werden, dass sie mit Lastautomobilen befahrbar sind, damit auf diesen beiden Strassen oder falls die Bahn von Toprakkalé nach Alexandrette gesperrt werden sollte, wenigstens auf der Strasse von Mamouré nach Entilli die Materialien auf die jenseits des Amanus liegende Strecke zugeführt werden können. Zum Betrieb dieser Strassenstrecke müssten die nötigen Lastautomobile mit Anhängerwagen, vielleicht rund 40 Stück, rechtszeitig beschafft und in Betrieb gesetzt werden. Da es ferner nicht angängig ist, durch die vor Hadjkiri liegenden beiden grossen Tunnels, von denen zunächst nur der Sohlstollen ausgebaut wird, Züge mit gewöhnlichen Lokomotiven wegen der starken Rauchentwicklung zu befördern, so müssten für diesen Betrieb 3-4 gekuppelte feuerlose Lokomotiven mit Zubehör beschafft werden, wofür etwa 300000 Frs. aufzuwenden sein würden.

Endlich werden frühzeitig umfangreiche Anlagen für die Unterkunft und Verpflegung der bei forcirtem Baubetrieb notwendigen grossen Arbeitermassen und des Beamtenpersonals getroffen werden müssen. Ferner müssten noch im laufenden Winter in grossem Massstabe im Taurus und Amanus Bäume gefällt werden, um das für die provisorischen Brücken, für Gerüste und für die Tunnelausmauerung nötig Holz zu beschaffen.

4.

Was die mit der Durchführung des skizzierten Bauprogramms verknüpften Kosten anbelangt, so ist folgendes zu bemerken.

a) Die Kosten für die Fertigstellung der Bahn bis Bagdad sind Ende 1913 auf rund 281 Millionen Francs veranschlagt worden, wovon ca. 6 Millionen auf Werkstätten entfallen. Hierzu treten noch die Bauzinsen und der Unternehmergewinn.

Bis zum 30. Juni 1914 sind 152,65 Millionen aufgewendet. Unter normalen Verhältnissen wären also ausser den Bauzinsen und Unternehmergewinn noch 128,35 Millionen aufzuwenden gewesen, wenn nicht im Laufe des letzten Jahres die Bauarbeiten erneut sistiert worden wären und wenn im übrigen bis zum Schluss der normalen Bauzeit nicht ausserordentlich ungünstige Verhältnisse: Krieg, Lohnerhöhungen, Transportschwierigkeiten usw. entstanden wären. Wieweit diese Behinderungen und die künftig noch zu erwartenden Steigerungen der Preise für Löhne und Materialien den Anschlag beeinflussen werden, lässt sich jetzt nicht sicher übersehen. Es empfiehlt sich daher, vorläufig die Anschlagsumme beizubehalten, und zur Sicherheit einen zu schätzenden Pauschalbetrag für jene zu erwartenden Mehrkosten zuzuschlagen.

b) Eine besondere Erhöhung der Kosten gegenüber dem Anschlag entsteht bei dem in Aussicht genommenen Bauprogramm durch die Sperrung des Seeweges für die Transporte bezw. durch die damit verknüpften höheren Transportkosten für die aus Deutschland zu beziehenden Materialien. Nach den angestellten Ermittlungen werden sich die Transportkosten für den Landtransport von Deutschland (Düsseldorf) über Konstantinopel, Karapounar, Adana Bagtsche bis Aleppo auf etwa 100 M pro t stellen, wenn es nicht gelingen sollte, für durchgehende Sonderzüge ganz erhebliche Tarifherabsetzungen von den beteiligten Eisenbahnverwaltungen zu erhalten. Demgegenüber stellen sich die bisherigen Transportkosten von Düsseldorf über Antwerpen, Tripolis bis Aleppo im Durchschnitt auf M 35 pro Tonne. Es würde also ein Mehraufwand von 100 - 35 = 65 M = rund 80 Frs. pro Tonne entstehen, und da noch rund 200000 t zu befördern sein werden, so würde sich eine Mehrbelastung von 200000 mal 80 = rund 16 Millionen Frs. ergeben.

c) Die Lösung des Vertrages mit Lynch wird im ungünstigsten Falle eine Aufwendung von 1 Million Frs. erfordern; hoffentlich wird es indes gelingen, diesen Betrag erheblich herabzusetzen.

d) Für die Verbesserung der Strassen von Bozanti bis Ghulek bezw. Tarsus, von Mamouré bis Entilli und von Alexandrette bis Katma werden etwa 400000 Frs. aufgewendet werden müssen.

e) Die Beschaffung der Lastautomobile einschliesslich Reserveteile dürfte etwa 1,5 Millionen erfordern; die Kosten des Betriebes und der Reparaturen werden ebenfalls auf 1,5 Mill. Frs. veranschlagt werden müssen.

f) Für die Beschaffung der früher erwähnten feuerlosen Lokomotiven sind rund 0,3 Mill. Frs. in Ansatz zu bringen.

g) Für den zur Durchführung des Bauprogramms erforderlichen intensiven Baubetrieb werden etwa 20000 Arbeiter auf 2 Jahre nötig sein. Bei 300 Schichten im Jahre ergeben sich rund 12 Mill. Arbeiterschichten. Für gelernte Arbeiter, Mineure, Mauer pp. werden hohe Löhne bewilligt werden müssen, aber auch die Löhne der gewöhnlichen Arbeiter steigen erfahrungsgemäss ständig; rechnet man nur mit einer Steigerung von 21/2 Piaster = 0,5 Frs. pro Schicht, so ergiebt sich ein Mehraufwand von Frs. 6,0 Mill.

Ebenso muss mit einer Preissteigerung der Materialien excl. Oberbau gerechnet werden, hierfür dürften zu veranschlagen sein 2,0 Millionen.

h) Für die Beschaffung der Unterkunft und Verpflegung der grossen Arbeitermassen, für Baugerät pp. werden mindestens zu rechnen sein 0,7 Millionen.

i) Eine besondere Erhöhung werden auch die Verwaltungskosten erfahren. Der grösste Teil des bisherigen Personals ist bei Kriegsausbruch nach der Heimat zurückgekehrt. Für die Heimreisekosten und die Lösung der Dienstverträge haben erhebliche Beträge aufgewendet werden müssen. Durch das Neu-Engagement des erforderlichen wesentlich zu vermehrenden Personals, die Ausreise nach Kleinasien, die Beschaffung von Unterkunft und Transportmitteln pp. entstehen namhafte Mehrausgaben, die ich schätze auf 5,4 Mill. Frs.

k) Für das schon erwähnte Provisorium für den Giaus-Déré-Viadukt und für eventuell nötige weitere provisorische Anlagen zwischen Belemdik und Dorak werden vorzusehen sein 0,2 Millionen.

5.

Nach Ziffer 4 sind also die bei Durchführung des Programms zu erwartenden Mehrkosten wie folgt zu schätzen:

A. höhere Transportkosten


B. für Lohnsteigerungen 6,0 Mill. Frs.

C. für höhere Materialpreise pp. 2,0 Mill. Frs.

D. für vermehrte Installation, Geräte pp 0,7 Mill. Frs.

E. für Verwaltungsmehrkosten 5,4 Mill. Frs.

F. für Provisorium am Giaus-Déré-Viadukt 0,2 Mill. Frs.

Summe 35,0 Mill. Frs.

6.

Die Gesamtaufwendungen für den Bau der Bahn bis Bagdad würden also betragen:


wozu noch die Bauzinsen und der Unternehmergewinn treten.

7.

Ausgegeben sind excl. der Bauzinsen bis 30. Juni 1914 rund 152,65 Millionen Frs. und bis 31. Oktober 1914 etwa 163,38 Millionen Frs. sodass nach dem 31. Oktober 1914 noch auszugeben wären etwa 152,62 Mill. Frs. zuzügl. der Bauzinsen und Unternehmergewinn.

8.

Hiervon werden bei der nach dem Bauprogramm eventuell am 1. Mai 1917 zu eröffnenden Gesamtlänge der Bahn noch nicht verausgabt sein:

a) für den zurückgestellten Ausbau des Tunnels in der Tschakitschlucht 7,7 Mill. Frs.

b) für definitive Hochbauten 3,5 Mill. Frs.

c) für Werkstätten 3,0 Mill. Frs.

d) für Verwaltungskosten pp. 3,8 Mill. Frs.

Insgesamt 18,0 Mill Frs.

so dass also für die Zeit bis zum 1.Mai 1917: 152,62 - 18,0 = 134,62 oder rd. 135 Millionen Francs ausser Bauzinsen und Unternehmergewinn zur Verfügung stehen müssten.


Frankfurt a./M, den 23.11. 1914

[Riese]



II.

1) Es könnte in Frage kommen, auf den Weiterbau von Rasulain bis Samarra vorläufig zu verzichten und sich darauf zu beschränken, nur die durchgehende Verbindung Haidar-Pascha - Karapounar - Adana - Bagtsche - Aleppo so rasch wie möglich fertigzustellen.

Nach dem unter I. Gesagten würde es unter den dort gemachten Voraussetzungen möglich sein, die noch fehlende Verbindung zwischen Karapounar und Dorak einerseits und zwischen Mamouré - Radjou andererseits in 13 - 16 Monaten, von der definitiven Erteilung des Auftrags abgerechnet, so weit herzustellen, dass Eisenbahnzüge von Haidar-Pascha bis Aleppo bzw. Raselain durchlaufen können. (Personenwagen und gedeckte Güterwagen werden wegen der beschränkten Höhe der Stellen in den beiden langen Tunnels bei Hadjkiri zunächst nicht durchgeführt werden können.)

2) Unter der Annahme, dass weitere Bauarbeiten seitens der Bauabteilung Aleppo nach Vollendung der Teilstrecken Radjou - Islahié und Tel Abiad - Raselain und seitens der Bauabteilung in Bagdad nach Vollendung der Strecke Bagdad - Samarra nicht in Angriff genommen, sondern dass diese beiden Abteilungen tunlichst bald aufgelöst werden, würden zur Durchführung des unter Ziffer 1) skizzirten Bauprogramms ab 1. November 1914 Geldmittel aufzuwenden sein, deren Höhe sich wie folgt ergibt:

a) Normale Baukosten der Strecke Karapounar - Dorak excl. des Vollausbruchs des Tunnels km 300,5 - 303,2 und von 303,5 - 305,7, des Giaurdéré-Viadukts und mit teilweise provisorischer Ausführung zwischen km 306 und 323 19,8 Millionen Francs

b) Normale Baukosten der Strecke Mamouré - Islahié 15,0 Millionen Francs

c) desgl. der Strecke Islahié - Radjou sowie Restarbeiten der

Euphratbrücke und der Strecke bei Raselain 4,0 Millionen Francs

d) Provisorische Werkstätte in Aleppo 0,2 Millionen Francs

Uebertrag 39,00 Millionen Frs.

Hierzu treten:

e) Mehrtransportkosten gegenüber dem Seeweg rd. 30000 tons à 80 Frs. 2,40 Millionen Francs

f) Strassenherstellungen 0,40 Millionen Francs

g) Auto-Lastwagenbetrieb 1,50 Millionen Francs

h) Für feuerlose Lokomotiven 0,30 Millionen Francs

i) Für höhere Löhne und höhere Materialpreise 2,50 Millionen Francs

k) Für vermehrte Installation 0,30 Millionen Francs

l) Für erhöhte Verwaltungskosten 3,00 Millionen Francs

m) Für Provisorien am Giaurdéré, zwischen km 306 u. 323 u. f.

unvorhergesehene Mehrkosten 0,60 Millionen Frs 11,00 Millionen Frs

[Gesamt:] 50,00 Millionen Frs

n) Unternehmergewinn 10% von 50 Mill 5,00 Millionen Frs

Summa 55,00 Millionen Frs.

Hiwerzu treten noch ausser den Bauzinsen für Ausgaben in den

Bauabteilungen Aleppo und Bagdad bis zu deren Auflösung rd. 1,0 Millionen Frs

Gesamter Geldbedarf: 56,00 Millionen Frs


[R(iese)] 24.11.14.]


III.

Nach den in den Abschnitten I und II enthaltenen Darlegungen sind zur Herstellung der Bahnverbindung von Karapounar bis Dorak 13 - 16 Monate - von der Erteilung des Auftrages an gerechnet - erforderlich. Wenn demgegenüber seitens der türkischen Heeresleitung Wert darauf gelegt wird, grössere Transporte von Constantinopel nach Aleppo schon von etwa Mitte November 1915 an durchzuführen, so fragt es sich, ob dies erreichbar ist, welche Massnahmen dafür zu treffen und welche Kosten damit verknüpft sind. In Betracht kommen die 3 Teilstrecken Karapounar-Dorak, Mamouré-Islahié und Islahié-Radjou.

1. Karapounar-Dorak:

Die Fertigstellung dieser Strecke ist bis Mitte November 1915 nicht möglich, weil die Sohlstollen der beiden grossen Tunnels bei Hadjkiri und auch die schwierige Strecke zwischen Dorak und km 311 längere Arbeitszeit erfordern.

Es müsste daher, um das gesteckte Ziel zu erreichen, ein Provisorium geschaffen werden. In der Tschakit-Schlucht ist wegen der ungünstigen Terrainbeschaffenheit eine provisorische Bahn nicht ausführbar. Dagegen könnte entweder eine provisorische schmalspurige Bahn unter Benutzung der Landstrasse Bozanti-Tarsus hergestellt oder ein Lastautomobil-Betrieb auf dieser Strasse eingerichtet werden.

a. Eine Bahn von 60 cm Spur wird sich vielleicht - vorbehaltlich der noch nötigen Ermittlungen - mit Maximalsteigungen von 1:30 und Kurven von 30 m Halbmesser herstellen lassen, wenn die bestehende Strasse auf den ungünstigsten Strecken verbessert bezw. die Bahn dort auf besonderes Planum gelegt wird und wenn nötigenfalls einige Spitzkehren eingelegt werden. Auf einer solchen Bahn würde ein Zug mit einer Lokomotive etwa 25 bis 30 t oder bei Verwendung von 2 Lokomotiven etwa 50 bis 60 t Nutzlast befördern können. Die Bahnlänge wird etwa 70 km, die Fahrzeit etwa 7 bis 8 Stunden betragen. Die maximale tägliche Leistung würde bei einem Betriebspark von 8 Lokomotiven und 100 Wagen auf 120 t und bei Vermehrung des Betriebsparks noch erheblich höher gesteigert werden können. Die Anlagekosten der Bahn werden auf etwa 3 bis 3,5 Mill. frcs. zu veranschlagen sein, die Beschaffung des erwähnten Betriebsparks wird noch rd. 650000 frcs. erfordern, sodass mit einem Gesamtaufwand von etwa 4 Mill. frcs. zu rechnen sein wird. Nach Vollendung der Vollbahn durch die Tschakitschlucht würde der Oberbau und das Rollmaterial der Schmalspurbahn anderweitig verwendet, eventuell auch von der türkischen Militärverwaltung übernommen werden können (Altwert etwa 800000 + 400000 = 1200000 frcs). Diese Schmalspurbahn könnte, wenn die Oberbau-Materialien Anfang 1915 bestellt und vom 1. März 1915 ab per Bahn über Constantinopel befördert werden könnten, bis Ende Oktober vollendet werden, vorausgesetzt, dass die noch anzustellenden örtlichen Ermittlungen über die Benutzungsfähigkeit der Landstrasse Bozanti-Tarsus nicht zu besonders ungünstigen Ergebnissen führen.

Die Betriebskosten exclusive Abschreibungen und Zinsen würden sich auf etwa 650 frcs. täglich bei 60 t Nutzlast und auf 960 frcs. täglich bei 120 t Nutzlast stellen, sodass auf einen tkm 0,154 frcs. bezw. 0,114 frcs entfallen dürften.

Der Vorteil der Schmalspurbahn liegt in der grossen Leistungsfähigkeit und in den verhältnismässig niedrigen Betriebskosten; der Nachteil in dem grossen Kapitalaufwand, in der Störung des Strassenverkehrs während der Bauzeit, der verhältnismässig langen Dauer des Bahnbaus und in der Schwierigkeit, die erforderlichen Oberbaumaterialien von Deutschland heranzubringen.

b. Anstelle der Schmalspurbahn kommt der Betrieb mit Auto-Lastwagen auf der etwa 65 km langen Strasse Bozanti - Tarsus in Frage, die nach Beseitigung einiger besonders ungünstiger Steigungen und der Ausbesserung der schlechtesten Stellen für den Lastwagenbetrieb wohl geeignet ist. Um die gleiche Leistungsfähigkeit wie die der beschriebenen Schmalspurbahn zu erreichen (60 bis 120 t täglich), würden 18 bezw. 36 Lastwagenzüge (je 1 Motorwagen und 1 Anhängerwagen für je 5 t, also zusammen 10 t Nutzlast) zu beschaffen sein. Zwei Drittel der Wagen würden täglich in Betrieb sein und ein Drittel in Beladung bezw. in Reserve. Diese Wagen könnten Ende Mai 1915 in Bozanti betriebsfähig sein, vorausgesetzt, dass der Bahntransport von Berlin bis Constantinopel im April 1915 erreichbar ist. Weitere Voraussetzung für diesen Betrieb wäre ferner, dass das erforderliche Benzol und der nötige Gummi lieferbar sind, und dass geübte Kraftwagenführer engagiert werden können.

Die Beschaffung des Wagenparks wird erfordern:

für einen Lastwagenzug frei Bozanti rd. 40000 frcs., also für 18 Züge rd. 720000 frcs. und für 36 Züge 1,44 Mill. Hierzu treten noch für Strassenverbesserungen rd. 400000 frcs.

Die Betriebskosten werden sich nach den angestellten Berechnungen auf etwa 125 frcs pro Tag für jeden fahrenden Lastwagenzug stellen.

Bei 60 t Nutzlast täglich würden etwa 1500 frcs, bei 120 t Nutzlast täglich würden etwa 2700 frcs tägliche Betriebskosten entstehen, was auf das t/km rd. 0,385 frcs. bezw. 0,346 frcs ergäbe (excl. Abschreibungen und Zinsen).

Der Vorteil des Auto-Lastwagenbetriebs liegt in dem nicht hohen Kapitalaufwand, in der geringen Störung des Srrassenverkehrs, in der Möglichkeit rascher Einrichtung des Betriebes , was auch für den Fortgang der Bauarbeiten der Bagdadbahn von Bedeutung ist, und in der vielseitigen Verwendungs-Möglichkeit der Lastwagen nach Vollendung der Bagdadbahn.

Der Nachteil liegt in den hohen Betriebskosten und vielleicht auch in der Beschaffung des Benzols und geübter Kraftwagenführer.

c. Nimmt man an, dass der Betrieb auf der Schmalspurbahn bezw. der Lastwagenbetrieb während der Dauer von 2 Jahren durchgeführt wird und dass auf Oberbau und Rollmaterial der Schmalspurbahn jährlich rd. 25%, auf die übrigen Bahnaufwendungen 100% und auf die Lastwagen 30% abgeschrieben werden, so ergeben sich die Betriebskosten pro t/km

ausschliesslich Zinsen einschl. Zinsen (5% p.a.)

für die Schmalspurbahn bei 60 t Tagesleistung zu 1,14 frcs 1,27 frcs.

bei 120 t Tagesleistung zu 0,60 frcs 0,66 frcs.

für den Lastwagenbetrieb bei 60 t Leistung zu 0,66 frcs 0,70 frcs

Hiernach wäre die Herstellung der Schmalspurbahn nur zu empfehlen, wenn der Seeweg noch für lange Zeit gesperrt bleibt, oder wenn der Bau der Strecke Karapounar-Dorak in absehbarer Zeit nicht wieder aufgenommen werden kann oder wenn es sich um größere Transportmengen als 120 t täglich handelt. Diese Fälle sind unwahrscheinlich. Im Folgenden soll daher nur der Auto-Lastwagenbetrieb berücksichtigt werden.

2. Mamouré-Islahié.

Diese Teilstrecke kann bis Mitte November 1915 für den provisorischen Betrieb fertiggestellt werden, wenn alsbald der erforderliche forcierte Arbeitsbetrieb angeordnet wird. Der große Baghdsche-Tunnel, wo z.Z. noch 1200 m Sohlstollen fehlen, wird bis November 1915 vielleicht vollständig, mindestens aber soweit fertiggestellt werden, dass Eisenbahntransporte stattfinden können. Weniger sicher ist die Fertigstellung der Rampen, weil dort die Bauarbeiten Ende Juli d.J. erneut völlig eingestellt worden sind. Immerhin dürfte es sich erreichen lassen, mit Hilfe von Provisorien die Strecke bis Mitte November 1915 fahrbar zu machen. Das vorhandene Oberbaumaterial wird ausreichen, wenn die Bestände der Abteilung Aleppo herangezogen werden und wenn zunächst nicht über Raselain hinaus gebaut wird.

3. Islahié-Radjou.

Diese Strecke wird voraussichtlich im Laufe des Monats Juli dem Betriebe übergeben werden.

4. Zur Durchführung dieses Bauprogramms wären ab 1. November 1914 Geldmittel aufzuwenden, deren Höhe unverbindlich wie folgt geschätzt wird:

a. Normale Baukosten der Strecke Mamouré-Islahié 15,0 Mill. frcs.

b. desgl. der Strecke Islahié-Radjou sowie Restarbeiten der Euphratbrücke und der Strecke bis Raselain 4,0 Mill. frcs.

c. provisorische Werkstätte in Aleppo 0,2 Mill frcs.

19,2 Mill. frcs

Hierzu treten:

d. Meertransportkosten gegenüber dem Seeweg rd. 12500 t à 80 Frcs. 1,0

e. Strassenherstellungen 0,4

f. Beschaffung von 18 Auto-Lastwagenzügen à 40000 frcs. 0,72

Reserveteile pp 0,08

g. Betrieb der Lastwagen vom 1/5. bis 30/11. 1914 rd 12500 t

= 875000 t/km à 0,4 frcs. 0,35

h. für höhere Löhne und Materialkosten 1,25

i. für erhöhte Verwaltungskosten 1,20

k. für Provisorien, eventuell auch feuerlose Lokomotiven pp 0,80

5,8 Mill frcs

25,0 Mill frcs.

Hierzu ausser den Bauzinsen:

für Ausgaben in der Bauabteilung Aleppo und Bagdad bis zu deren Auflösung rd.1,0 Mill. frcs.

Summa 26,0 Mill frcs.

l. Hierzu Unternehmergewinn 15% 3,9 Mill. frcs.

m. Zinsen rd. 7% auf 26/2 Mill. rd. 0,91 Mill frcs.

Summa 30,81

rund 31 Mill.


Frankfurt a.M., den 12. Dezember 1914.

[Riese]


Auswärtiges Amt Nr. 16, A 9358; J.Nr. 9864; A.H. 1183, pr 24.333.15


Abschriftlich Seiner Exzellenz dem Königlichen Gesandten im Allerhöchsten Gefolge Herrn von Treutler, Großes Hauptquartier, zur gefälligen Kenntnisnahmen und Mitteilung an den General von Falkenhayn ergebenst übersandt.

Berlin, den 21. März 1915




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