1915-11-19-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 20027
Zentraljournal: 1915-A.S.-5740
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 11/19/1915 01:19 PM
Telegramm-Ankunft: 11/19/1915 03:50 PM
Praesentatsdatum: 11/10/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 603
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Treutler) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Pless, den 19. November 1915

Geheim.

Herr von Falkenhayn ist befriedigt von seiner Aussprache mit Jekow und dem Kronprinzen von Bulgarien zurückgekehrt. Ich fürchte nur, daß er nicht weniger untern dem militärischen Einfluß der ja brillant kämpfenden bulgarischen Armee steht als vor seiner Reise. Er sagte mir, König Ferdinand sehe sich von König Konstantin betrogen, denn hätten wir nicht diesem zuliebe auf die Nichtbesetzung von Doiran und Gewgeli gedrungen, so hätte er - Ferdinand - dieses Gebiet besetzen und dadurch die Entwickelung der Ententetruppen verhindern können. Ich erwiderte, daß König Konstantin, selbst wenn diese Behauptung richtig wäre, immerhin bona fide gehandelt habe, denn er habe an das Saloniker Unternehmen der Entente nicht denken können, als er Doiran und Gewgelis Nichtbesetzung forderte. Außerdem schien mir ausgeschlossen, daß die Bulgaren schon so früh Doiran und Gewgeli hätten besetzen können, um der Entente dort zuvorzukommen. Herr von Falkenhayn meinte, er habe den Bulgaren gegenüber auch den König in Schutz genommen, er glaube nur nicht, daß König Ferdinand überzeugt werden könnte. An dieser schiefen Lage sei der Grieche schuld, weil er den richtigen Augenblick verpaßt habe. Darauf erwiderte ich ihm, da müsse ich dem General von Falkenhayn von vor 3 Wochen zum Zeugen gegen den General von Falkenhayn von heute anführen. Damals hätte ich im Auftrage des Staatssekretärs angeregt, ob man nicht dem König raten solle, von Anfang an mit Waffengewalt dem Landen weiterer Truppen entgegenzutreten. von Falkenhayn habe das damals als unmöglich bezeichnet und gebeten davon abzusehen, um König Konstantin nicht mißtrauisch zu machen. Jetzt höre mans anders! Im weiteren Verlauf des Gesprächs habe ich dem General noch offener meine Meinung über Massow gesagt, als neulich und ihm auch nachgewiesen, daß Gantschew sich ebenso wie Massow um Dinge kümmere, die ihn nichts angehen. von Falkenhayn sagte mir, daß er dies ernstlich mißbillige. (Gantschews Versuch gegen Michahelles zu intrigieren zu Gunsten einer Kandidatur Massows als Gesandten). Nun hat Grünau unter der Hand im Generalstab Kenntnis von einem Telegramm Massows an General von Falkenhayn vom 16. erhalten, worin Massow mitteilt, er habe bulgarischen Kriegsminister und Jostow für griechisch-bulgarische Verständigung gewonnen, man müsse nun das Kriegsministerium weiterarbeiten lassen, um den König dafür zu gewinnen. Er bäte von Falkenhayn zu verhindern, daß Gesandter mit Radoslawoff Angelegenheit behandelt, weil dann Sache verdorben sei. Darauf bezog sich wahrscheinlich von Falkenhayns Äußerung mir gegenüber, daß Massow wohl etwas phantastisch sei, aber doch gut mit dem König arbeite, es wäre gefährlich wenn diese Arbeit durch Hineinziehen von Radoslawoff gestört werde. Ich antwortete, daß davon keine Rede sein könne. Michahelles, der allerdings ganz nüchtern urteile, stehe ausgezeichnet mit Radoslawoff, ohne den der König sicher keine wichtige Entscheidung treffe. Die Störung könne nur darin bestehen, daß Michahelles die mit Tatsachen verwechselten Wünsche Massows auf das rechte Maß zurückführe und von Falkenhayn mußte selbst zugeben, daß er die Situation genau so beurteile, wie Michahelles in seinem Telegramm (Berliner Nr. 1600).

Nun kam heute ein weiteres Telegramm Massows an von Falkenhayn, das Grünau nur bruchstückweise flüchtig einsehen konnte, worin Massow von seiner fortschreitenden Tätigkeit in obigem Sinne berichtet und unterstreicht, daß der König über gewisse Äußerungen des Gesandten sehr verstimmt sei. Der Herzog von Mecklenburg sucht zu vermitteln.

Ich halte es für an der Zeit, daß der selbständigen Politik Massows und seinen Quertreibereien gegenüber dem Gesandten ein Riegel vorgeschoben wird, da loyales Zusammenarbeiten mit dem Gesandten unbedingt erforderlich. Vorstehende Angaben können selbstverständlich bei Generalstab nicht verwertet werden ohne Grünaus und meine weitere Tätigkeit hier unmöglich zu machen. Ich darf daher zur Erwägung stellen, Michahelles über etwaige Meinungsverschiedenheiten mit Massow wegen Behandlung der Angelegenheit zu hören. Vielleicht bietet Antwort Gelegenheit, einzuschreiten.

Eine Entscheidung über den Fortgang der Operationen, die zu einer Klärung der Situation führen müßte, sieht Herr von Falkenhayn aber erst in einigen Wochen bevorstehend an.


[Treutler]



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