1916-07-08-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20083
Zentraljournal: 1916-A-18327
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Ankunft: 07/11/1916 10:40 AM
Praesentatsdatum: 07/11/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 395
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Ueskueb, den 8. [geschätzt] Juli 1916

Für Chef des Generalstabes Feldheeres.

Überblick über die Ereignisse in Griechenland seit 18. Juni.

Am 18. Juni war von Demissionsabsichten des Kabinetts noch nichts bekannt; der König, den ich an diesem Tage sah, versicherte, daß er das Kabinett solange wie möglich halten werde und daß der Ministerpräsident an ihm, dem König, einen festen Rückhalt habe.

Unterdessen hatten sich aber Unstimmigkeiten im Kabinett selbst ergeben. Der Marineminister verweigerte seine Mitarbeit, der Querkopf Rhallis war im Begriff abzuschwenken, und außerdem schien die Kammer nicht mehr recht mitgehen zu wollen. Ministerpräsident unterbreitete deshalb 19. Juni nachmittags dem König Demission des Kabinetts, auch in der ....(Gruppe fehlt) ...., daß Entente, wenn Kabinett freiwillig abtrat, Kammerauflösung nicht fordern werde.

Unter diesen Umständen mußte König Demission des Kabinetts wohl annehmen.

Am 21. Juni erfolgte Übergabe der Ententenote. Alte Regierung konnte Note nicht mehr annehmen, da schon in Demission; neue Regierung existierte noch nicht; Note wurde daher beim Außenministerium einfach deponiert. Gleichzeitig erschien russischer Gesandter beim König, um ihm persönlich Gefahr der Lage klarzustellen, da Landung von Ententetruppen bei Ablehnung oder Nichtbeantwortung der Note schon beschlossen sei (wie nunmehr festgestellt, war Landung bei Oropos, dem am nächsten von Tautai gelegenen Küstenpunkt beabsichtigt, erstes Ziel wäre also Tautai gewesen).

König berief darauf den alten Ministerrat. Es wurde beschlossen, daß Zaïmis, der am Vormittag des 21. Juni Bildung der neuen Regierung übernommen hatte, aber noch nicht vereidigt war, die Verantwortung schon jetzt übernehmen solle. Das persönliche Urteil der alten Minister war einstimmig, daß Note angenommen werden müsse.

Danach blieb dem König keine Wahl mehr, da auch ein Widerstand weder militärisch noch moralisch vorbereitet war. (Metaxa hatte schon im Januar in Voraussicht solcher Ereignisse vorgeschlagen, I. und V. Armeekorps um Athen zusammenzuziehen; Vorschlag war aber abgelehnt worden). Dazu kam, daß Blockadewirkung schon fühlbar wurde; zwar ist aus eigener Ernte Korn für einige Zeit vorhanden, aber es fehlte schon an anderen Dingen; z.B. gab es für sämtliche Eisenbahnen Alt-Griechenlands nur 300 Tonnen Kohle. Truppenverschiebungen mit Bahn waren also kaum möglich.

König ließ nun Zaïmis kommen, der erklärte, daß er Note erwidern werde. Zaïmis erklärte hierauf den Ententegesandten, entsprechend dem Schlußsatz der Note, daß griechische Regierung zur Annahme gezwungen sei, da sie ja mit der Verantwortung für die Folgen bei Nichtannahme bedroht werde. Zaïmis betonte also, daß man der Gewalt weiche.

Für die Nacht vom 21. Juni zum 22. Juni waren von Entente und Venizelos für Athen Unruhen vorbereitet, in der Annahme, daß Note nicht angenommen wurde und Landung erfolgen müsse. Auffallend war, daß in jener Nacht kurz nach 11 Uhr Explosion eines kleinen Pulvermagazins vor der Stadt erfolgte, worauf sofort eine allerdings recht kümmerliche Demonstration bezahlten Pöbels einsetzte.

Seitdem sind keine besonderen neuen Schritte der Entente erfolgt. Daß Italien noch besonders die Demobilmachung auch für Nordepirus verlangte, die in der allgemeinen Demobilmachung inbegriffen ist, entspricht wohl nur dem Bedürfnis, auch mitzureden. Die Lage wird für Italien durch die Demobilmachung nicht besser, da das ganze V. Armeekorps nun nach Epirus zurückkehrt.

Der Gedanke, die griechisch-mazedonischen Korps nur teilweise zu demobilisieren, oder durch Mannschaften aus Alt-Griechenland zu verstärken, scheint nicht von Entente, sondern von Venizelos zu stammen, der diesen Gedanken in seiner Zeitung Kyrix schon früher angeregt hat. Es ist unwahrscheinlich, daß dieser Plan ausgeführt wird.

Von dem am 22. Juni gebildeten neuen Ministerium interessieren eigentlich nur:

1. Ministerpräsident und Minister der Auswärtigen Angelegenheiten Zaïmis. Metaxa urteilt über ihn: er ist Gegner des Krieges und wird des Königs Neutralitätspolitik fortsetzen; er ist im Grunde Gegner Venizelos, während Skuludis mehr für den Kampf war, ist Zaïmis Waffe die List; er wird der Entente einen „liebenswürdigen, passiven, aber starken Widerstand“ entgegensetzen.

Wie weit dies Urteil richtig ist, wird Zukunft zeigen.

2. Inneres: Oberst Charalembis, bisher Divisionskommandeur Kyoto; er ist wie

3. Kriegs- und vorläufig auch Marineminister Kallaris, bisher Kommandeur 1. Armeekorps Athen, ein unbedingt königstreuer Soldat.

Der Rest der Minister ist mehr oder weniger farblos und ordnet sich unbedingt Zaïmis unter.

Militärattaché Athen.


[Mirbach]



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