1917-09-06-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14097
Zentraljournal: 1917-A-30397
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 09/13/1917 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Vorsitzende der Orient- und Islam-Kommission des Deutschen Evangelischen Missions-Ausschusses (Karl Axenfeld) an den Legationsrat im Auswärtigen Amt Göppert

Schreiben



Berlin, den 6. September 1917

Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich anliegend

1.) in 5 Abzügen den Bericht über die Unterredung mit Djemal Pascha am 28. August d.J.,

2.) in ebenso viel Abzügen Abschrift eines Briefes von mir vom heutigen Tage an den Pascha,

3.) die Urschrift dieses Briefes zu überreichen. Letztere bitte ich ergebenst an ihn weitergelangen zu lassen. Die Abzüge unter 1 und 2 sind für die Kenntnis des Auswärtigen Amtes, für die Kaiserlichen Botschaft in Konstantinopel und für die Konsulate in Aleppo, Jerusalem und Beirut gemeint. Wir wären außerordentlich dankbar, wenn auch die dortigen Vertreter des Reiches u.U. dazu mithelfen würden, daß die Zusagen des Paschas sich in die Tat umsetzen. Die Not unserer Liebeswerke bez. ihrer Pfleglinge ist groß. Den Entwurf eines Schreibens an Izzet Pascha bitte ich nach einigen Tagen zu gütiger Beratung vorlegen zu dürfen.

Für die Vermittlung der Unterredung mit Djemal Pascha Euer Hochwohlgeboren im Namen der durch mich vertretenen Anstalten nochmals aufs wärmste dankend, bleibe ich in vorzüglicher Hochschätzung,

Ihr ergebener


D. Karl Axenfeld

Anlage 1

Berlin N.O. 43, 6.IX.1917
Georgenkirchstr. 70
Votre Excellence!

Je me permets de remercier très respectueusement Votre Excellence de la faveur qu'elle a daigné nous accorder le 28 VIII et de sa promesse qui assure à nos œuvres charitables un si puissant secours. D'après les rapports que j'ai sous les yeux, la misère est pressante et nous sommes heureux de penser que les vivres abondants et gratuits que Votre Excellence a mis si généreusement à notre dispositions vont bientôt la soulager. Ci-inclus la liste des œuvres auxquelles je m'intéresse et pour lesquelles j'accepte avec joie l'appui tout puissant de Votre Excellence. Les Comités se permettront de s'adresser directement à Elle en se référant à moi.

J'accepte également avec reconnaissance l'offre si précieuse que Votre Excellence a bien voulu nous faire en faveur des districts voisins; la misère y est aussi grande et nous espérons tout de Sa bienveillante recommandation auprès de leurs gouverneurs. Encouragé par le gracieux accueil de Votre Excellence, j'ose La prier de me dire quels ordres Elle a déjà donnés et quelles mesures je dois prendre de mon côté pour assurer le prompt succès de notre entreprise aussi dans ces districts.

Avec l'expression de ma très vive gratitude, je prie Votre Excellence de bien vouloir agréer celle de mon plus profond respect.


[Karl Axenfeld]
Docteur en Théologie
Directeur de la Massion Berlinoise.

A Son Excellence Djemal Pascha
Ministre Impérial Ottoman de la Marine
et Général commandant la quatrième armée.

I. Œuvre de bienfaisance allemande (Deutscher Hilfsbund):1

II. Œuvre des diaconesses allemandes de Kaiserswerth: III. Asile des Lépreux à Jérusalem (Mr. le pasteur Dr. Jeremias et sœur-chef Elisabeth Mueller)

IV. Société de Jérusalem (Jerusalemverein):

V. Œuvre protestante du Carmel (Karmelverein): École arabe (Mr. le professeur Heinrici).

Anlage 2


Vertraulich!

Niederschrift über den Gang der Besprechung zwischen dem Generalissimus der türkischen Armee in Syrien, Djemal Pascha, und Missions-Direktor D. Axenfeld, Direktor A. W. Schreiber und Oberlehrer Sommer, zu


Berlin, Hotel Adlon, 28. August 1917, ½ 5 - ½ 6 Uhr.

Nach freundlicher Begrüßung durch Exzellenz Djemal Pascha, der seinen Gästen die Hand reichte, eröffnete die in französischer Sprache geführte Besprechung

D. Axenfeld. Er dankte für die Gewährung der Unterredung und gab der Sympathie aller Deutschen für die tapferen türkischen Bundesgenossen Ausdruck. Namens der Sr. Exzellenz bekannten deutschen evangelischen Liebesarbeiten im Orient dankte er auch für den Schutz und die mannigfache Förderung dieser dem Wohle der notleidenden türkischen Bevölkerung dienenden Unternehmungen, so der Arbeit der Kaiserswerther Schwestern in Jerusalem, Beirut und Aleppo und des deutschen Hilfsbundes in Aleppo und Marasch (Schw. Beatrice Rohner, Schw. Paula Schaefer, Herr Blank). Die Not, namentlich bei den Armeniern, übersteige aber unsere Hilfskräfte und wecke unser tiefstes Mitleid. Wir seien Deutsche und darum sei es selbstverständlich, daß wir loyale Freunde der Türkei seien. Aber wir seien auch Christen. Wie es ein moslemisches Gemeingefühl gäbe, so hätten auch wir Christen ein herzliches Mitgefühl mit allen unseren Mitchristen, zumal wenn sie sich in Not und Anfechtung befänden. Es gehe ein tiefer Schmerz durch die Kreise der deutschen Christen wegen des Geschickes der Armenier. Er erlaube sich daher die sehr herzliche Bitte um Hilfe für die Notstände, an deren Linderung die deutschen Liebeswerke arbeiten, namentlich um Gewährung von Nahrungsmitteln für die Frauen und Kinder.

Djemal Pascha dankt für den Besuch, sowie den Ausdruck der Sympathie für die Türkei und spricht seine "Anerkennung der geäußerten edlen religiösen Gefühle und seine volle Uebereinstimmung mit den bekundeten menschenfreundlichen Gesinnungen" aus. Diese Uebereinstimmung werde aber nicht widerlegt durch die Stellung, die die Türkei gegen die Armenier eingenommen habe. Ihnen gegenüber habe es sich nicht um eine religiöse, sondern um eine politische Frage gehandelt. Die Türkei habe einem Manne geglichen, der von allen Seiten überfallen wird und in der höchsten Lebensnot zu den äußersten Mitteln greifen muß. In jedem Lande ginge ferner die Bevölkerung, zumal in Zeiten der Erregung, leicht über strenge Maßnahmen der Regierung noch hinaus und ließe sich zu Ausschreitungen hinreißen, die nicht zu billigen seien, so in der Türkei besonders die Kurden. Gegen die Armenier sei die türkische Regierung nicht vorgegangen, weil sie Christen, sondern weil sie Armenier waren und der Bestand des Staates gefährdet war. Gegen Araber würde im gleichen Fall ebenso verfahren. Im übrigen wären in seinem Bezirke, dank seines starken persönlichen Einflusses, keine Ausschreitungen gegen Armenier erfolgt. Aber nicht jeder Oberbefehlshaber könne einen so starken Einfluß ausüben.

Auf die Frage, ob seine Ausführungen deutlich gewesen und verstanden worden seien, erwiderte

D. Axenfeld: "Ich habe die Ausführungen Euer Exzellenz wohl verstanden. Mir liegt aber ihnen gegenüber sehr daran, festzustellen, daß wir nicht gekommen sind, um zu tadeln oder anzuklagen, sondern nur, um in loyalster Gesinnung Hilfe zu erbitten für Notleidende. Diese hungernden Frauen und Kinder können der Türkei nicht gefährlich sein. Es handelt sich um ein Werk der rein menschlichen Barmherzigkeit."

Djemal Pascha: Dem kann ich nur beistimmen. Ich bin gern bereit, in jeder Beziehung Ihre Arbeiten zu unterstützen und unentgeltlich Lebensmittel zu gewähren. Schreiben Sie Ihren Freunden in Aleppo und Marasch, in Jerusalem und Beirut und anderen Orten, daß sie ihre Bitten mir vorlegen. Ich werde reichlich helfen und auch in anderen Bezirken meinen Einfluß geltend zu machen suchen."

Oberlehrer Sommer dankt in türkischer Sprache für die bisherige Hilfe und die freundliche Zusage der freien Gewährung von Lebensmitteln. Da die Hungersnot sehr empfindlich und Getreide auf dem offenen Markt nicht zu haben sei, bittet er besonders um Gewährung von Getreide aus den staatlichen Vorräten. Es sei dieses eine reine Menschlichkeitsfrage; auch in unseren Anstalten, besonders den Krankenhäusern, werde Christen und Muhammedanern die gleiche Hilfe zuteil.

Djemal Pascha, ebenfalls in türkischer Sprache: "Das ist auch meine persönliche Stellung. Ich mache keinen Unterschied zwischen Christen und Muhammedanern. Das Wohl aller Osmanen liegt mir am Herzen. Der Grundsatz der Toleranz ist mir sehr sympathisch. Ihre Bitten will ich gerne gewähren."

Mit Handschlag wurden die Besucher freundlich entlassen.


D. Karl Axenfeld. Schreiber.

1 (Sehr häufige) Unterstreichungen nicht übernommen.



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