1916-02-29-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20052
Zentraljournal: 1916-A.S.-774
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 02/29/1916 03:40 PM
Telegramm-Ankunft: 02/29/1916 06:55 PM
Praesentatsdatum: 02/29/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 81
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschaft in Wien (Tschirschky und Bögendorf) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Wien, den 29. Februar 1916

Unter Bezugnahme auf Telegramm Nr. 185 und Nr. 192 {A.S. 711, 744 bei 757}.

Inhalt der Telegramme Baron Burian mitgeteilt. Er sagte, Frage der Angliederung Semendria’s sei hier in Wien überhaupt nicht berührt worden. Vielleicht in Teschen. Wenn Hr. Radoslawow von der Schaffung eines Groß-Albaniens spreche, so treffe das nicht zu. Albanien solle nur das erhalten, was es zur Existenz nötig habe und werde kaum eine Million Einwohner zählen. Zurückziehung von Truppen aus Prisrend und Pristina habe er nicht verlangt, das sei Sache der Heeresleitung. Wohl aber habe er Zurückziehung der Verwaltungsbeamten gewünscht, da beide Orte nach dem Vertrage nicht in die bulgarische Einflußsphäre fielen. Daß jetziger Zustand vorläufig bleiben solle, habe er danach nicht gebilligt.

Ich sagte Minister, daß wir uns in die Details, betreffend die einzelnen Ortschaften, nicht einmischen wollten, daß wir aber entscheidendes Interesse daran hätten, daß keine ernste Reibung zwischen der Monarchie und Bulgarien entstände, hierauf müßten wir unter allen Umständen bestehen! Baron Burian stimmte dem lebhaft zu und sagte, wir könnten uns darauf verlassen, daß nichts passieren werde. Er habe schon an Baron von Hötzendorf sagen lassen, daß er vermittelnd eingreifen solle eventuell durch Feldmarschall von Mackenseen. Der Kommandant von Üsküb, Petrow, sei aber ganz intransigent. So sei er z.B. in Ratschanik ganz eigenmächtig vorgegangnen, er habe den dort befindlichen österreichisch-ungarischen Truppen einfach befohlen abzuziehen.

Die vom österreichisch-ungarischen Hauptquartier gewünschte Zurückziehung der bulgarischen Truppen von Prisrend und Pristina sei deshalb notwendig, weil Österreich-Ungarn durch diese Gegend den Zugang nach Albanien haben müsse. Sonst sei die Monarchie von dieser Seite von Albanien völlig abgeschnitten. Er, der Minister sei gewiß erbötig, mit Bulgarien auf gutem Fuße zu bleiben, er glaube aber nicht, daß dieses Ziel zu erreichen sei, wenn er blindlings auf alle bulgarischen Wünsche und Fühler einginge. Die von den Bulgaren aufgestellte Theorie, daß sie alles behalten müßten, wo bulgarische Truppen den Fuß hingesetzt hätten, sei zu gefährlich. Damit würden die Griechen Recht behalten, wenn sie fürchteten, daß Bulgaren auch z.B. Saloniki oder Valona behalten würden, wenn es ihnen passe auch nur eine kleine Abteilung ihrer Truppen bis zu diesen Städten mit vorgehen zu lassen. Die Schardaggrenze, die die Bulgaren selbst im Vertrag festgesetzt hätten, sei militärisch und wirtschaftlich für sie die allerbeste, und er sehe nicht ein, weshalb wir von dieser Vertragsgrenze beim ersten bulgarischen Versuch abgehen sollten.

Ein Abschwenken Bulgariens - von welcher Möglichkeit ich dem Minister sprach - fürchte er nicht. Mit Leuten wie den Bulgaren, die jetzt versuchten uns zu brüskieren und vor vollendete Tatsachen zu stellen, und zwar wie es General Jecoff getan habe, in ganz ungehöriger Form, müsse man deutlich sprechen und ihnen zeigen, daß man sich nicht vergewaltigen lasse. Ich könne aber sicher sein, daß er es an der nötigen Vorsicht nicht werde fehlen lassen.


[Tschirschky]



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