1916-09-22-DE-005
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Quelle: /PA-AA/R 20101
Zentraljournal: 1916-A-26422
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Geschäftsführer des Konsulats in Galatz (Schäfer) an den Reichskanzler (Bethamnn Hollweg)

Bericht


Berlin, den 22. September 1916

Der Amtssitz des Kaiserlichen Konsulates Galatz hat in Entwicklung und Verlauf der rumänischen Krise in mehrfacher Hinsicht eine besondere Rolle gespielt. Neben der geographischen Lage der Stadt Sereth und Pruth und der damit gegebenen unmittelbaren Nachbarschaft mit dem russischen Vorposten Reni kam dabei in erster Linie die Zufallstatsache in Betracht, dass die Entente in dem derzeitigen Präfekten des rumänischen Grenzbezirkes Covurlui schon vor Ausbruch des Krieges einen ihr restlos ergebenen Anhänger und Förderer ihrer Bestrebungen besass. Russland nütze diesen Umstand nach jeder Richtung voll aus, und schon in den ersten Wochen des Weltkrieges trat Galatz als wichtigstes Einbruchstor für alle russischen Einflüsse auf Rumänien deutlich erkennbar hervor. Ihren ersten Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in dem Zarenbesuch in Reni im Spätherbst 1915. Es war mir damals gelungen, den wahren Charakter dieses politisch-militärischen Riesenbluffs rechtzeitig und einwandfrei festzustellen, und Seine Majestät der Kaiser und König haben Allergnädigst geruht, mir für den darüber an den Kaiserlichen Gesandten in Bukarest erstatteten Bericht Seinen Allerhöchsten Dank aussprechen zu lassen.

Die einmal gewonnene Stellung eines Absteigequartiers und Treffpunktes für die Unterhändler und Vermittler der russisch-rumänischen Zwangsehe behielt Galatz auch fernerhin bei. Der rumänische Gesandte am Zarenhof wählte bei seinen Reisen zwischen den beiden Hauptstädten wiederholt die Strecke über Reni-Galatz, und die Oberkommandierenden und Stäbe der in Renit stehenden oder durchziehenden russischen Truppen betrachteten Galatz als leicht erreichbaren Ausflugspunkt, wo sie sich von den Strapazen des Dienstes erholen und namentlich ihren Bedürfnissen in Barhus und Venus bequemer gerecht werden konnten als in dem alkoholarmen Reni. – Der rumänische Präfekt Alexander Gussi aber und der russische Generalkonsul Staatsrat Peter Katarmyschew nebst Frau und Tochter bildeten das Zentral- und Permanenzbüro für eine umfassenden Spionage- und Agitations-Organisation zu Gunsten der Entente. Ich habe die von dieser Seite entfaltete Tätigkeit andauernd und mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln genau verfolgt und über meine Wahrnehmungen fortlaufend an die Kaiserliche Gesandtschaft in Bukarest und Sinaia berichtet. Auf eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse meiner Arbeit muss ich augenblicklich aus naheliegenden Gründen verzichten, zumal ich alle, bei meiner Abreise aus Rumänien noch vorhandenen Unterlagen vernichten musste. Da jedoch eine solche Aufzeichnung vielleicht nicht ohne ein gewisses geschichtliches Interesse sein könnte, darf ich mir gehorsamst vorbehalten, sie in einigen Tagen nachzuliefern.

Bezüglich der Vorgänge und Umstände unmittelbar vor meiner Abreise von Galatz dürften folgende, in zeitlicher Reihenfolge geordnete Angaben ein hinreichend klares Bild bieten:

1.) Die von den oben bezeichneten Stellen und Persönlichkeiten auch im Laufe des Jahres 1916 mit einer gewissen Regelmässigkeit lanzierten Meldungen über die Aufstellung eines gewaltigen russischen Heeres in Bessarabien für den Durchmarsch nach Bulgarien erwiesen sich immer wieder als politische Schwindelnachrichten, die zwar einerseits die erwartete unmittelbare Wirkung auf die rumänische Regierung verfehlten, andererseits aber doch den Boden für den späteren Ernstfall vorbereiten halfen.

2.) Dieser Ernstfall rückte zuerst in Sicht, als die Russen das für Rumänien bestimmte Kriegsmaterial freigaben.

3.) Besonders sinnfällig würde diese Entwicklung für die Einwohnerschaft der Stadt Galatz in dem Augenblick, als die Wiederinstandsetzung des früheren Eisenbahndammes zwischen Galatz und der Pruthmündung (Gura Prutului) in Angriff genommen wurde. Dieser Vorgang hatte sofort eine panikartige Erregung zur Folge, die sich auch gewisser Teile der deutschen Kolonie bemächtigte. Da aus dieser heraus immer mehr Anfragen an das Konsulat gerichtet wurden, hielt ich es für meine Pflicht, die Sachlage in ausführlicher Weise dem Herrn Gesandten zu berichten und um entsprechende Weisung zu bitten. Freiherr von dem Bussche antwortete mir, er teile meine Befürchtungen nicht, wolle aber solche Reichsangehörigen, die unbedingt abzureisen wünschten, nicht davon zurückhalten. Demgemäss beschied ich unsere anfragenden Landsleute dahin, dass mir besondere Gründe zur Beunruhigung zwar nicht bekannt seien, dass jedoch m.E. alle nicht durch wichtige Interessen Zurückgehaltenen gut daran täten, den weiteren Verlauf der Dinge ausserhalb Rumäniens abzuwarten. Mit erhöhtem Nachdruck machte ich letztere Auffassung denjenigen Personen gegenüber geltend, die als Vertrauensleute für den durch mich in Verbindung mit Oberleutnant Reinebeck und Sekretär Erfling in Braila vermittelten militärischen Nachrichtendienst gegebenenfalls besonders gefährdet erschienen. Es ist auch auf diese Weise gelungen, diese Personen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.

4.) Eine weitere deutlich erkennbare Verschärfung der vorhandenen Spannung trat unmittelbar nach der Einnahme von Görz durch die Italiener ein. Von diesem Zeitpunkte ab verloren auch die bisher treuesten und zuverlässigsten Freunde der Mittelmächte ihre Zuversicht, so z.B. der Inspektort Egon Theodory von dem rumänischen Flusschiffahrtsdienst und der Begründer und Leiter der Galatzer Schiffswerfte, Handelskammerpräsident und Senator G. Fernic u.a.

5.) Zwei bis drei Wochen vor Eintritt Rumäniens in den Krieg erklärte mir der rumänische Vertreter bei der Europäischen Donaukommission, Minister Dului Zamfirescu, auf meine besondere Anfrage, er halte es für geraten, dass Herr Minister-Resident Marheinecke die Rückkehr von seinem in Süddeutschland verbrachten Urlaub nach Galatz vorläufig hinausschöbe.

6.) In der letzten Woche vor der Kriegserklärung wurden die noch zurückgebliebenen Reste der Besatzungen von Galatz, Braila und Tulcea ebenfalls nach der bulgarischen und der ungarischen Grenze abgeschoben.

7.) Am Donnerstag, den 24. August, erschien in einer Galatzer Lokalzeitung die Meldung, Alexander Gussi sei mit hohen russischen Offizieren von dem Minister-Präsidenten Bratianu zu einer mehrstündigen Besprechung empfangen worden. Gussis Wiedereinsetzung in die Präfektenwürde, von der er wegen Plichtversäumnis gelegentlich des blutigen Zusammenstosses zwischen streikenden Arbeitern und Militär einige Wochen zuvor enthoben worden war, stünde unmittelbar bevor. Zugleich wurde bestätigt, dass die Russen unterhalb Reni an vier verschiedenen Stellen die letzten Vorkehrungen zum Brückenschlagen über die Donau getroffen hatten.

8.) Freitag, den 25. August, teilte mir der als durchaus zuverlässig bewährte Rechtskonsulent des Konsulates, Dr. G. Mavromati schon in aller Frühe und in sehr besorgnisvoller Form mit, dass die rumänische Regierung beabsichtige, schon in einigen Tagen den Krieg gegen Ungarn zu eröffnen. Zugleich war von einer deutschen Küsterfamilie in der Dobrudscha die telegraphische Anfrage eingelaufen, ob sie abreisen oder bleiben solle. Ich teilte auch diese Meldungen und Anfragen sofort in dringlichen Ziffertelegrammen den Gesandtschaftsbüros in Bukarest und Sinaia mit, und bat um eine umgehende Weisung, ob die Lage etwa als so kritisch zu betrachten sei, dass den Deutschen die Abreise zu empfehlen wäre. Eine Antwort auf diese Telegramme ist nicht mehr eingegangen. Am Nachmittag liess ich unsere Landsleute zu einer Besprechung der zwischen den deutschen Vertretungen und der oesterreich-ungarischen Regierung getroffenen Vereinbarungen bezüglich der für den Notfall vorgesehenen Passvermerke auf Samstag Abend (26. August) einladen. Im Laufe dieses Freitages schleppten rumänische Remorqueure 79 leere Schleppe von Braila und Galatz stromabwärts.

9.) Am Samstag, den 26. August, reiste der bereits erwähnte Nachrichtenoffizier, Oberleutnant Reinebeck, nach Bukarest ab, um dem Herrn Militär-Attaché neues Material zu überbringen und mündlich über die letzten Vorgänge zu berichten, namentlich auch über die umfangreichen Requisitionen von Pferden, die ich selbst in der Frühe des Morgens wahrgenommen hatte. Unmittelbar nach Reinebecks Abfahrt meldete ein Extrablatt die Einberufung eines Kronrates auf Sonntag, den 27. August, vormittags 10 Uhr in Bukarest. Die Nachricht stammte aus der Redaktion einer ententefreundlichen Bukarester Zeitung, die durch ihre Schwindelnachrichten so bekannt war, dass der Nachsatz, Rumäniens Anschluss an Russland sei bereits endgültig entschieden, überall auf entschiedenen Zweifel stiess. Ich telegraphierte auch hierüber nach Bukarest und bat dringend, den daselbst eintreffenden Oberleutnant Reinebeck nicht mehr nach Galatz zurückreisen zu lassen, da sonst seine Verhaftung zu befürchten sei.

An der Besprechung in der deutschen Schule nahm auch Konsulatssekretär Erfling aus Braila teil. Da auch verschiedene Mitglieder unserer Kolonie nicht rechtzeitig konnten verständigt werden, sollte am folgenden Sonntag nachmittags 4 Uhr noch eine weitere Zusammenkunft stattfinden.

10.) Sonntag, den 27. August, erfuhr ich alsbald, dass der regelmässige Personenverkehr des rumänischen Schifffahrtsdienstes von Galatz nach Tulcea und Sulina eingestellt und der fällige Dampfer nicht abgegangen war. Später schwirrten allerlei Gerüchte von einer Verschiebung des Kronrates durch die Stadt.

Zu der auf 4 Uhr nachmittas angesetzten Besprechung in der deutschen Schule hatte Herr Sekretär Erfling auch die Deutschen aus Braila mitgebracht. Als wir eben beginnen wollten, erschien der Chef des Sicherheitsdienstes und forderte uns im Namen und Auftrag des Polizeipräfekten auf, ihm sofort nach der Polizeipräfektur zu folgen. Um Weiterungen und Zwischenfälle zu vermeiden, fügten wir uns dieser Aufforderung, nachdem ich einen dem Vorgang entsprechend ernstgehaltenen Protest eingelegt hatte. Auf der Polizeipräfektur wurde ich zunächst von dem Polizeipräfekten Andrijescu einzeln empfangen mit dem Hinweis, dass er im Hinblick auf die Zeitlage solche Agitationsversammlungen der Reichsdeutschen nicht dulden könne. Auf meine Entgegnung, dass es sich keineswegs um eine Agitationsversammlung, sondern vielmehr um einen Akt der Ordnung und Disziplin handele, wurden wir wieder entlassen. Einzelheiten der Unterredung würden an dieser Stelle zu weit führen und müssen deshalb für den angedeuteten Bericht vorbehalten bleiben. Erwähnt sei nur noch die Aeusserung des Polizeipräfekten, „Man suche eigentlich in erster Linie den Direktor Reinebeck.“

Nach unserer Freigabe empfahl ich unseren Landsleuten, sich am Montag früh neuerdings in der Konsulatskanzlei einzufinden, damit sämtliche deutschen Pässe mit dem für den kritischen Fall vorgesehenen Vermerk „Rückwanderer aus Rumänien“ versehen werden könnten.

Da mir die Beförderung einer telegraphischen Meldung an die Gesandtschaft von dem Polizeipräfekten mit dem Hinweis verweigert wurde, „der Telegraph sei für die nächsten Tage von anderen Dingen vollauf in Anspruch genommen“, bat ich den Sekretär Erfling, sich mit dem nächsten Abendzug nach Bukarest zu begeben, um meinen Bericht über die Vorgänge persönlich vorzulegen. Inzwischen war jedoch der Bahnverkehr bereits eingestellt, und der Bahnhof militärisch besetzt worden. Erfling musste deshalb mit mir im Konsulatsgebäude übernachten.

Gegen 11 Uhr abends wurde dann durch eine von dem wieder eingesetzten Präfekten Gussi unterzeichnete Proklamation der Belagerungszustand verkündigt. Die ganze Stadt war von dieser Wendung zunächst aufs äusserste bestürzt und geriet darauf in eine leicht begreifliche lebhafte Erregung.

11.) In der Nacht vom Sonntag, den 27. auf Montag, den 28. August, mit dem Glockenschlag 12 Uhr, verkündete ein aus Glockengeläute, Dampfer- und Fabriksignalen und allen sonstigen erdenklichen Geräuschen zusammengesetzer Höllenlärm, die allgemeine Mobilmachung. Einige Gruppen unreifer Burschen zogen singend und johlend durch die Strassen und zertrümmerten am oesterreich-ungarischen und am türkischen Konsulat sämtliche Fernsterscheiben. Ein ähnlicher Ueberfall auf das Amtsgebäude des deutschen Konsulates wurde von Polizisten und Offiziersburschen vereitelt. Nur ein Fenster im Obergeschoss des Hauses fiel dem Angriffsversuch zum Opfer.

12.) Am Montag, den 28. August, liess mir der Präfekt Gussi schon sehr frühzeitig durch einen Abgesandten den Rat und die Bitte übermitteln, die Beamten des Konsulats sollten zur Vermeidung von feindseligen Demonstrationen sich nicht auf der Strasse sehen lassen. Auf meine Frage, was denn eigentlich zwischen Rumänien und Deutschland vorgefallen sei, erhielt ich die Antwort, die Präfektur wisse selbst nichts Näheres. Bald darauf brachte Dr. Mavromati die Meldung, an der bulgarischen und an der ungarischen Grenze hätten schon am Abend vorher von 9 Uhr ab blutige Kämpfe stattgefunden. Mit Deutschland führe Rumänien jedoch keinen Krieg, und die Reichsdeutschen könnten ruhig auf ihrem Wohnsitz verbleiben. Den anfragenden Landsleuten erteilten die verschiedenen rumänischen Behörden die widerspruchvollsten Auskünfte. Um eine Aufklärung dieser Widersprüche herbeizuführen, richtete ich am Montag Nachmittag eine amtliche Adresse an den Präfekten, in der ich um eine gleichfalls amtliche Auskunft darüber bat, ob etwa eine Aenderung in den bisher so freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiderseitigen Regierungen eingetreten sei. Ich erhielt auch hierauf den Bescheid, dass die Präfektur ohne jede Instruktion seitens ihrer Regierung sei und dass sie es deshalb bedauern müsse, die erbetenen Aufkundt nicht erteilen zu können. Dem Dr. Mavromati, der sich auch in diesen kritischen Tagen als ein unbedingt treu ergebener Freund erwies, versicherte man auch weiterhin, die Reichsdeutschen hätten nicht das Geringste zu befürchten. Sie könnten ruhig an Ort und Stelle bleiben, oder demnächst abreisen.

13.) Dienstag, den 29. August, früh ½ 7 Uhr erschien der Chef des Sicherheitsdienstes im Konsulatsgebäude mit der Meldung, er sei beauftragt, in meiner Privatwohnung eine Durchsuchung vorzunehmen. Dasselbe war bereits in der Wohnung des abwesenden Herrn Reinebeck geschehen. Es ist als sicher anzunehmen, dass es sich hierbei um ein kaum noch ernst zu nehmendes Vorgehen handelte, nachdem man Reinebecks selbst nicht habhaft geworden war. Wäre dieser in den kritischen Stunden noch in Galatz gewesen, so hätten wir uns beide der Festnahme durch die rumänische Polizei und der Auslieferung an die russischen Militärbehörden mit den entsprechenden Folgen nicht entziehen können.

Im Gegensatz zu den Versicherungen vom vorhergehenden Tage wurde unseren Landsleuten am Dienstag eröffnet, dass auch sie und die Türken sich mit den Oesterreichern, Ungarn, und Bulgaren auf die Abreise nach den Konzentrationslagern Jalomitza am Mittwoch Abend vorzubereiten hätten.

Erst am Dienstag Vormittag, gegen 11 Uhr, liess mir der Präfekt Gussi mitteilen, ich solle mich bereits um 12 ½ Uhr mit den übrigen Beamten des Konsulates auf dem Bahnhof einfinden, um nach Bukarest zur Gesandtschaft gebracht zu werden. Dabei wurde der Anschein erweckt, als ob es sich um die besondere Gunst handele, uns Gelegenheit zur Wiederherstellung der schon 4 – 5 Tage unterbrochenen Verbindung mit der Gesandtschaft zu bieten und uns die nochmalige Rückkehr nach Galatz offenzuhalten. Infolge der kurz bemessenen Frist war es mir nicht mehr möglich, mich noch einmal nach meiner Wohnung zurückzubegeben, die ich seit Freitag, den 25. August, nicht mehr gesehen habe. Ich musste mich vielmehr darauf beschränken, in aller Eile die letzten Vorkehrungen zur möglichsten Sicherung des Archivs und des Konsulatsgebäudes zu treffen, und hatte kaum noch Zeit, einige Bissen zu mir zu nehmen, nachdem ich schon am Montag Abend mich in Folge allgemeinen Geschäftsschlusses mit einem Stück trockenen Brotes hatte begnügen müssen.

Die beiden Amtssiegel legte ich mit der Platte aus dem neuen Prägestempel in eine kleine Nottasche, die ich schon vor Monaten für den Fall einer etwa nötigwerdenden Flucht bereitgestellt hatte. Die Schlüssel übergab ich dem alten treuen Amtsdiener Gheorghe Mihail und der nicht minder treuen Zofe der Frau Marheinecke, Miss Louise Willmott. Sekretär Prezewowski liess seine Frau nebst seiner Schwiegermutter in Galatz zurück. Auf dem Bahnhof trafen wir den osmanischen Generalkonsul und Delegierten Haidar Bey nebst Sohn und Personal. Wir wurden unter polizeilicher Bewachung in einen Wagen mit dicht verhängten Fenstern gebracht und erreichten Bukarest erst am nächsten Morgen früh 7 Uhr. In Braila waren die Herren und Damen von den dortigen mittelmächtlichen Vertretern eingestiegen, darunter auch der mehrfach erwähnte Sekretär Erfling. In Buseo konnten wir die ersten Trupps von Deutschen, Oesterreichern, Ungarn, Bulgaren und Türken beobachten, die auf dem Wege nach den Konzentrationslagern waren. In Buseo wurde auch ein Kübel Wasser gegen unser Wagenfenster geschleudert, das unter dem Druck platzte. Weiteren Belästigungen waren wir nicht ausgesetzt.

14.) Mittwoch, den 30. August, hielt unser Zug in Bukarest auf einem abgelegenen Teile des Schienenfeldes, von dem wir durch eine kleine Dienstpforte auf die benachbarte Strasse geleitet und auf bereitstehenden Fahrwerken nach dem Grand-Hotel in der Nähe der Hauptpost gebracht und daselbst bis zu unserer Abfahrt nach Russland, d.h. bis zum 3. September, in zeitweilig strenger Haft zurückgehalten wurden.

Auf eine Schilderung der Reise durch Russland und Schweden kann an dieser Stelle verzichtet werden.


Schaefer



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