1915-09-24-DE-005
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1915-09-24-DE-005
Quelle: DE/PA-AA/R 20192
Zentraljournal: 1915-A-26320
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 09/24/1915 10:00 PM
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 716
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Staatsekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an den Gesandten in Athen (Mirbach)

Telegraphischer Erlaß


Berlin, den 24. September 1915

Abschrift.

Zur streng vertraulichen Verwertung beim König.

Wie wir aus zuverlässiger geheimer Quelle erfahren, haben König von England und Sir Edward Grey nach dem Zusammenstoß der türkischen und russischen Flotte im Schwarzen Meer Ende Oktober vorigen Jahres den türkischen Botschafter in London Offensiv- und Defensivbündnis unter nachstehenden Bedingungen angeboten:

1.) Anleihe von 65 Millionen Pfund Sterling,

2.) Sofortige Freigabe der beiden in England beschlagnahmten türkischen Schlachtschiffe,

3.) Überlassung von 3 weiteren erstklassigen Kriegsschiffen,

4.) Rückgabe sämtlicher von Italien und Griechenland besetzten Inseln. Falls Griechenland sich widersetzt, soll dieses isoliert und der Türkei preisgegeben werden,

5.) Reorganisation der Türkei auf Grundlage eines modernen Staates mit englischer Hilfe.

Die Türkei hat abgelehnt, weil sie den englischen Versprechungen nicht traute.

Der Vorfall ist bezeichnend für die Brutalität, mit der England die Interessen „befreundeter“ Staaten dem eigenen Vorteil zu opfern pflegt.

Auch die Behandlung Serbiens ist hierfür charakteristisch. Angeblich um Serbiens Unabhängigkeit und territoriale Integrität gegen Österreich-Ungarn zu schützen, hat die Entente den Weltkrieg entfacht. Dieselbe Entente aber hat nicht gezögert, Serbien die Abtretung Mazedoniens zuzumuten und trotz der in Nisch erteilten Zusagen über den Banat zugunsten Rumäniens, über die dalmatische Küste zugunsten Italiens zu disponieren als ihr dies für andere politische Zwecke nützlich erschienen. Daß die Entente über die im jetzigen kritischen Moment Griechenland gemachten Versprechungen bei veränderter Konstellation mit gleicher Unbefangenheit zur Tagesordnung übergehen wird, unterliegt keinem Zweifel. Wir pflegen bei der Abgabe von Zusicherungen zaghafter zu sein, deren Einlösung aber umso ernster zu nehmen.


[Jagow}



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved