Der K. Botschafter in Rom telegraphiert unter Nr. 594:
„Türkisches Vorgehen hat hier bei Deputierten und in politischen Kreisen einige Nervosität erzeugt und auch bei Leuten, die bisher fest für Neutralität eintreten, Besorgnisse hervorgerufen.
Bei Herrn Salandra fand ich diese Nervosität nicht. Er ist nach wie vor besorgt wegen der Gefahr für Cyrenaika und Lybien und glaubt, dass wir auch bei bestem Willen nicht in der Lage sein werden, islamitische Bewegung dort zurückzuhalten. Im übrigen ist er dankbar für Erklärungen über Balkan und Nordafrika. Sie seien wertvoll für Italien. Ich merkte ihm an, dass sie ihn beruhigten. Zu einer Erklärung über die Haltung Italiens nach dem jetzigen Vorgehen der Türkei war er nur schwer und nach wiederholt von mir versuchter Führung des Gesprächs auf diesen Punkt zu bewegen. Er sagte endlich, er hoffe, dass die Entwickelung der Dinge Italien erlaube, neutral zu bleiben; es sei jedenfalls das Interesse und der Wunsch der italienischen Regierung die Neutralität nicht aufzugeben.
Hinsichtlich des Suezkanals fürchtet der Ministerpräsident, dass der Neutralitätsvertrag kein genügender Schutz gegen die so leicht herbeizuführende Sperrung des Kanals sei. Diese Sperrung würde für den Verkehr Italiens mit seiner Kolonie Erythrea verhängnisvoll sein.
Meines Erachtens müsste Türkei hier jetzt beruhigende Erklärungen abgeben.“
Auszug geht nach Konstantinopel mit wiederholtem Auftrag, auf beruhigende Erklärungen der Pforte in Rom nachdrücklich hinzuwirken. Da auch italienische Presse Nervosität wegen türkischen Vorgehens zeigt, werde ich diesseits beruhigende Pressenotiz heute veranlassen.
Wien verständigt.