1916-07-12-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 20200
Zentraljournal: 1916-A.S.-2243
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 07/12/1916 01:55 PM
Telegramm-Ankunft: 07/12/1916 10:25 PM
Praesentatsdatum: 07/13/1916 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 44
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Therapia, den 12. Juli 1916

Geheim. Unter Bezugnahme auf Telegramm Nr. 42 vom 11 Juli.

[Marschall Liman hat gestern an General von Lyncker Bericht über die militärische Lage in der Türkei eingesandt. Abschrift des ganzen Berichts folgt mit nächstem Feldjäger. Über die Entsendung des XV türkischen Armeekorps nach Galizien schreibt er folgendes:

„Die militärische Anspannung der Türkei auf ihren überaus ausgedehnten Kampffronten und Küstenschutzfronten ist eine so große, daß ich es für einen politischen und militärischen Fehler erachten muß, daß jetzt - wie befohlen - das XV türkische Armeekorps nach Galizien entsandt werden soll.

Die militärische Lage der Türkei verbietet diese Entscheidung absolut.

Das XV türkische …[Gruppe fehlt]… ist die einzige noch in der Provinz Thrazien stehende Truppe. Solange die Entente-Truppen in Salonik sind, von wo aus sie leicht ein Expeditionskorps nach dem Golf von Saros (Nordseite), Draprdina u. Enos entsenden können, darf der Südteil von Thrazien niemals - wie jetzt beabsichtigt - von Truppen entblößt werden. Der Weg zur großen Eisenbahn in Richtung Usunköpri, wie der Weg nach Konstantinopel wird sonst dem Feinde freigegeben. Sobald der Vorstoß des 1. Expeditionskorps gegen den Kanal erledigt sein wird, stehen für den genannten Zweck auch noch reichlich englische Truppen zur Verfügung.

Es ist dabei zu beachten, daß das XV Armeekorps die einzige Reserve bei einem neuen Angriff auf die Dardanellen war.

Die überaus zahlreichen Desertionen in den türkischen Truppen - im Wilajet Aidin z.Zt. über 8000 Deserteure und ...[Gruppe verst.]... in hoher Zahl bei allen türkischen Truppenverbänden sollten zur Vorsicht gegen eine Überanspannung des türkischen Staats mahnen.

Ein Staat, von dem große Teile vom Feinde besetzt sind und der fast seinen letzten Mann zum Waffendienst herangezogen hat, darf nicht Truppen nach auswärts abgeben.

Bei der bereits erschütterten Stellung von Enver Pascha kann diese Abgabe - wenn hier irgend welche Rückschläge eintreten - zu seinem Sturz führen.“

Armeeführer geben bekanntlich ungern Truppen ab. In diesem Fall sind die Gründe des Marschalls aber so einleuchtend, daß ihnen zugestimmt werden muß. Er hat gestern Enver Pascha gesprochen, der nach Angabe des Marschalls den Ernst der Lage einsieht und nur dem deutschen Wunsch zuliebe das Armeekorps abgibt. Enver hat dem Marschall versprochen, zum Ersatz eine Division aus Anatolien nach Thrazien zu senden. Mein gestriges Telegramm war abgefaßt, ehe ich den Marschall gesprochen habe. Unsere Bedenken begegnen sich aber.]


[Metternich]
[Jagow am13.7. an Grünau (Nr. 832)]

Der K. Botschafter in Constantinopel telegrafirt unter Nr. 44 vom 12. d.Mts. […].

In politischer Hinsicht kann ich den im gestrigen Telegramm entwickelten Bedenken des Grafen Metternich auch nur voll beitreten. Die Türkei würde sich schließlich als Retter aufspielen und gelegentlich Rechnung präsentieren. Unser Verhältnis würde vollständig verschoben. Wenn zum Beispiel der Moment eintritt, wo Mächte zum Frieden geneigt sind und Russen dann noch nicht vollständig aus Kaukasus u. Irac herausgeworfen sind, würden die Türken mit Recht verlangen, daß vor Räumung dieser Gebiete kein Friede geschlossen werden darf. Auch würden sie dem russischen Wunsch auf Erlaubnis zu Durchfahrt durch Meerengen, die uns vielleicht Frieden mit Rußland erleichtern kann, mit größerer Hartnäckigkeit widersetzen und hierin unsere Unterstützung verlangen. Inwieweit etwa militärische Gründe zwingend sind, vermag ich natürlich nicht zu übersehen.



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