1915-11-27-DE-006
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Quelle: DE/PA-AA/R 20029
Zentraljournal: 1915-A-34473
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 11/27/1915 06:30 PM
Telegramm-Ankunft: 11/28/1915 01:00 PM
Praesentatsdatum: 11/28/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 1478
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Athen, den 27. November 1915

Dingend!

Militär-Attaché meldet:

„Für Chef des Generalstabes des Feldheeres:

Seine Majestät der König befahl mich soeben, 1 Uhr Nachm. zu sich und beauftragte mich, Folgendes zu melden:

Unter Vortritt des englischen Gesandten erschienen heute sämtliche Gesandten der Entente beim Ministerpräsidenten und forderten:

1. Räumung von Salonik und Umgegend durch die Griechen.

2. Vollkommen freie Verfügung über Bahnen, Straßen, nach Doiran, Gewgeli, Krivolak.

3. Vollkommene Freiheit auf dem Meere, auch in griechischen Küstengewässern.

4. Recht auf Durchsuchung jeden Fahrzeugs, auch in Küstengewässern und Häfen auf Konterbande.

5. Recht der Durchsuchung der griechischen Küsten nach Stützpunkten oder Petroleumlagern für feindliche Unterseeboote.

Der Ministerpräsident antwortete „c’est la force“, worauf die Gesandten gegen diesen Ausdruck protestierten. …[2 Gr. unverst.]… nachdem er abseits ein Schriftstück, anscheinend eine Instruktion, durchgelesen hatte, daß man eine schnelle Antwort verlange, worauf Ministerpräsident beharrte: „c’est pourtant la force.“ Skuludis blieb fest auf diesem Standpunkt und veranlaßte die Gesandten dadurch, wegen weiterer Schritte erst noch die Instruktionen ihrer Regierungen einzuholen. Dadurch ist Zeit gewonnen. Wenn aber die Entente auf ihren Forderungen beharrt, werde Griechenland der Gewalt weichen müssen; die Regierung werde aber sofort bei sämtlichen Regierungen der Entente und der neutralen Staaten und ebenso öffentlich in der gesamten Presse in der schärfsten Form gegen diese Vergewaltigung protestieren, und der König wird die Demobilisierung der griechischen Armee befehlen. Die Entente fürchte sowohl einen solchen Protest, der ihr die Maske vom Gesicht risse, wie auch die Demobilisierung der griechischen Armee, in der sie immer noch einen gewissen Schutz gegen einen bulgarisch-deutschen Einfall gesehen hat. Um aber die Demobilisierung durchführen zu können, muß Seine Majestät der König die schon erbetene Sicherheit haben, daß die Entente auf griechischem Gebiet nicht durch bulgarische, sondern nur durch deutsche Truppen angegriffen wird. Seine Majestät der König erbittet dies nicht aus Mißtrauen gegen Bulgarien, sondern aus Rücksicht auf seine eigene Stellung als König seinem Volke gegenüber und bittet um eine schnelle Antwort, da die Ereignisse drängen.

Nach einem Telegramm des griechischen Marine-Attachés in London hat Sir E. Grey sich auch dahin ausgesprochen, daß die Hilfsexpedition für Serbien verfehlt sei, daß man sich umsomehr in Salonik halten werde. Nach anderen Nachrichten haben die Engländer die Absicht, Salonik nicht nur auf der Landfront, sondern auch nach der See stark zu befestigen.

Zusatz: Seine Majestät der König empfindet in vollem Maße das jedem Völkerrecht Hohn sprechende Vorgehen der Entente-Gesandten.“


[Mirbach]
[Jagow am 29.11.1915 an Mirbach (Nr. 965)]

Auf militärische Frage antwortet General v. Falkenhayn:

Entente hat durch neueste Forderungen Maske fallen lassen. Griechenland muß gegen Vergewaltigung bei Entente und allen anderen Regierungen sowie in Presse offen und scharf protestieren. Besonders wichtig, daß richtige Sachdarstellung und Protest gegen Nichtachtung der Neutralität auch in amerikanische Presse gelangt, da dortige öffentliche Meinung stärksten Eindruck auf England macht.

Griechenland hat bei erster Landung versäumt genügend zu protestieren, um so nötiger erscheint, daß brutales Vorgehen der Entente jetzt vor der ganzen Welt gebrandmarkt wird und Griechenland als vergewaltigt erscheint. Griechenland sollte mit Bekanntgabe der Zumutungen der Entente und Protest nicht warten, bis Gesandte neue Instruktionen erhalten, sondern jetzt möglichst laut schreien, da schlechter Eindruck in öffentlicher Meinung aller Länder England am ehesten von weiteren Zwangsmaßregeln abhalten wird.

England wird sich in Salonik sonst festsetzen wie in Calais und es trotz aller Versicherungen behalten wie Gibraltar. Dies wäre für Zentralmächte wie für Balkanstaaten ganz unannehmbar.


[Jagow]



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