1916-01-31-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 20046
Zentraljournal: 1916-A-
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 02/01/1916 12:45 PM
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 110
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an den AA-Vertreter im Großen Hauptquartier (Treutler)

Telegraphischer Erlaß


Berlin, den 31. Januar 1916

Der österreichische Botschafter teilt mir heute folgendes vertraulich mit:

Die Operationen der österreichisch-ungarischen Truppen in Albanien würden durch einen Vorstoß bulgarischer Truppen auf Durazzo und Valona unterstütz werden.

Die Österreichische Regierung befürchtet nun, daß Bulgarien aus der militärischen Besetzung albanischen Gebiets Anspruch auf Besitzrecht in Albanien herleiten würde, eine Befürchtung, die auch durch andere Momente genährt werden. Die österreichische Regierung lege auf Erhaltung eines selbständigen Albaniens den größten Wert. Auch würde das Verhältnis Österreichs zu Griechenland eine Ausdehnung Bulgariens in Albanien nicht gestatten. Man möge doch Bulgarien darüber nicht im Zweifel lassen, daß neue, über die vertragsmäßig Bulgarien zugesprochenen Grenzen hinausgehende Aktionen nicht hergeleitet werden dürften. Vielleicht würde der Besuch König Ferdinands in Pleß Gelegenheit zur Aussprache bieten.

Ich habe dem Botschafter erwidert, daß zunächst die Wiener Pläne betreffend Albanien und die eroberten Balkangebiete uns noch ziemlich unbekannt seien, es wäre wünschenswert, daß Baron Burian sich einmal präciser äußerte.

Aus der obigen Mitteilung scheint mir jedenfalls hervorzugehen:

1.) daß Wien den Bulgarien vertragsmäßig zugestandenen Gebietserwerb anerkannt, die bulgarische Befürchtung, daß das österreichische Verlangen nach Ausdehnung des „Operationsgebiets“ den Wunsch nach späterer territorialen Erwerbungen involviere, also nicht zutrifft beziehungsweise daß etwaige dahinzielende Wiener Wünsche fallen gelassen sind,

2.) daß Österreich Albanien nicht an Bulgarien fallen lassen will, sondern ein selbständiges Albanien wünscht, wie dies auch schon Baron Burian hier und Graf Tisza an Baron Bussche gesagt haben. Unter „selbständig“ ist natürlich ein unter österreichischem Einfluß stehendes Albanien zu verstehen. Es ist dies mit Rücksicht auf die Verteidigung der Adria gegen italienische Machtgelüste, sowie im Hinblick auf die Herstellung einer Verbindung mit Griechenland auch verständlich.

Der Wunsch des Wiener Cabinetts, diesen Standpunkt Bulgarien gegenüber zur Geltung zu bringen, dürfte eine passende Gelegenheit bieten, auch die bulgarischen Wünsche nach Erweiterung des vertragsmäßig zugestandenen Gebiets (an der Morawa) in Wien zu vertreten. Es ist mir nicht bekannt, ob König Ferdinand diese Wünsche bei der Zusammenkunft in Nisch genau präcisiert hat. Eine genaue Angabe der bulgarischen Desiderata wäre erwünscht. Vielleicht bietet auch hierzu die Zusammenkunft in Pless Gelegenheit.


[Jagow]



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