1915-10-20-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 20193
Zentraljournal: 1915-A.S.-5409
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 10/20/1915 11:00 PM
Telegramm-Ankunft: 10/22/1915 12:01 PM
Praesentatsdatum: 10/22/1915 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Athen (Mirbach) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Athen, den 20. Oktober 1915

Ganz geheim.

Für Chef des Generalstabes des Feldheeres.

Bei meiner heutigen Audienz kam Seine Majestät der König wiederholt auf die Gefahren zu sprechen, die Griechenland nach Erledigung der serbischen Operation von Bulgarien drohten. Antwort auf Telegramm 140 {A 30414} war noch nicht eingegangen, Seine Majestät hoffte offenbar noch auf die Belassung einer deutschen Armee auf dem Balkan zur Aufrechterhaltung der Ordnung.

Auch bei Besprechung der Notwendigkeit der Entwaffnung auf griechischem Gebiet zurückkehrender Entente- und serbischer Truppen zeigte sich Seine Majestät wenig zuversichtlich, sodaß ich den Eindruck gewinnen mußte, daß von griechischer Seite wenig Unterstützung zu erwarten ist in dem Bestreben, Komplikationen zwischen Griechenland und Bulgarien während des Krieges zu vermeiden. Es läge im deutschen Interesse zu versuchen, das Selbstbewußtsein Seiner Majestät des Königs und des griechischen Generalstabs zu stärken und die Furcht vor einer Blockade Griechenlands zu mindern. Diese Furcht basiert hauptsächlich auf dem Bewußtsein der Abhängigkeit der Nahrungsmittelzufuhr zur See, die durch das Abkommen mit Bulgarien, betreffend Einfuhr von Getreide, nur ungenügend verringert ist. Wie der Gesandte von dem Minister des Innern erfuhr, deckt die bulgarische Einfuhr nur ein Siebentel des täglichen Bedarfs, 6 Siebentel müssen daher noch immer auf dem Seewege und zwar fast ausschließlich von Amerika bezogen werden.

Die Entente ist sich ihrer Macht wohl bewußt und nutzt sie aus in ihrer verzweifelten Lage in unerhörter Weise. Seine Majestät erzählte, daß die Entente angesichts der ungenügenden Ausrüstung ihrer Landungskorps von der griechischen Heeresverwaltung die Hergabe einer großen Anzahl von Zugtieren und von Nahrungs- und Futtermittel verlangt habe unter der Zusicherung, alles nach 12 Tagen aus den bis dahin in Salonik erwarteten Beständen der Entente-Truppen ersetzen zu wollen. Seine Majestät haben das Ansinnen abgelehnt mit dem Hinweis, daß Griechenland damit gegen seine Neutralität verstoßen würde, und fügten mir gegenüber hinzu, „bis dahin wären wir außerdem selbst verhungert.“

Der neue Kriegsminister General Giannikitsas, den Seine Majestät als tüchtigen Führer kennzeichnete, hat dem König die Idee suggeriert, die Entente-Truppen würden sich angesichts der deutschen und bulgarischen Siege in Kürze in Salonik wieder einschiffen und abtransportiert werden müssen, und zwar Hals über Kopf unter Hinterlassung ihres Trosses. Dann könnte die griechische Heeresverwaltung das zurückbleibende Geschütz- und sonstige Material aufkaufen und ihren Beständen einverleiben.

Wenn ein verantwortlicher Minister dem König in solcher Zeit mit derartigen Ideen kommt, ist es begreiflich, daß Seine Majestät den Kernpunkt der Situation zeitweise aus den Augen verliert.

In den letzten Tagen landet die Entente in Salonik nur 12- 1500 Mann täglich, auch der Abtransport nach Serbien erfolgt langsam, immerhin dürften die Truppen genügen, den unerwünschten Zwischenfall mit Bulgarien, der in den Plänen der Entente liegen dürfte, herbeizuführen. Schon bei den möglicherweise zurücktransportierten Verwundeten kann die Frage der Internierung akut werden. Ich habe Seiner Majestät dem König empfohlen schon jetzt der Entente mitteilen zu lassen, daß sich Griechenland mit Rücksicht auf Bulgarien genötigt sehen würde, die Ententetruppen, die die Grenze nach Süden wieder überschreiten, zu entwaffnen und zu internieren. Seine Majestät glaubte, daß eine solche Demarche auf die Entente wenig Eindruck machen würde.

Ich werde jetzt auf Grund der eben eingegangenen Antwort Euerer Exzellenz auf mein Telegramm Nr. 140, Telegramm vom 19. Oktober, Nr. verstümmelt, Nr. 9349 P. die einzelnen Punkte im Generalstab nochmals energisch zur Sprache bringen.

Bezüglich des ersten Satzes des Telegramms bitte ich gehorsamst um nochmalige Instruktion, ob sich die Entwaffnung feindlicher Truppen zwischen der für die Verfolgung gezogenen Grenzlinie und der serbisch-griechischen Landesgrenze ausführen läßt, ohne gegen die Verpflichtungen der Nichtbesetzung von Doiran und Gewgeli zu verstoßen.

Militärattaché B 426.

Grancy.


[Mirbach]



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