1915-05-21-DE-007
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Quelle: DE/PA-AA/R 20186
Zentraljournal: 1915-A.S.-2583
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 05/25/1915 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 309
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



Nr. 309.

Pera, den 21. Mai 1915

Mit Bezug auf Telegramm 1152. {A.S.2342}

4 Anlagen.

Der Großwesir hatte in Aussicht gestellt, daß er mir von dem Beweismittel, welches die Pforte über das Bestehen einer weitverzweigten Verschwörung gesammelt hat, soweit hierdurch die auswärtigen Beziehungen der Türkei berührt werden, Kenntnis geben werde. Er hat mir nunmehr die photographischen Wiedergaben von vier zwischen Venizelos und dem früheren griechischen Gesandten Panas gewechselten Zifferntelegrammen nebst dem Ziffernschlüssel und der türkischen Entzifferung zur Einsicht übersandt. Euerer Exzellenz lasse ich diese Schriftstücke unter Beifügung einer deutschen Übersetzung des türkischen Textes beifolgend gehorsamst zugehen.

Der zu diesem Depeschenwechsel verwandte Ziffernschlüssel ist eine Buchstaben-Ziffer. Die Zahlen sind ohne Rücksicht auf die Worte zu Gruppen von je 3-5 Zahlen zusammengestellt. Am Eingang eines jeden Telegramms stehen einige vermutlich griechische Worte, die mit einem andern Ziffermittel chiffriert sind.

Durch diese Schriftstücke ist einwandfrei der Nachweis geliefert, daß der ehemalige griechische Ministerpräsident sowie der hiesige Gesandte einer nach ihrer Ueberzeugung gegen die Sicherheit des türkischen Staates gerichteten geheimen Organisation ihre amtliche Hilfe geliehen haben. Ein Mißbrauch ihrer Unterschrift durch untergeordnete Beamte ist unwahrscheinlich. Der Umstand, daß die von hier abgehenden Telegramme mit Kenntnis und unter Mitwirkung geheimer Agenten der Pforte angefertigt und entsandt wurden, die ganze „Verschwörung“ daher, wie der „Tanin“ seine Veröffentlichungen überschreibt, eine politische Komödie war, ändert daran nichts, daß Venizelos und Panas sich durch ihr Verhalten auf das Schwerste kompromittiert haben.


Anlagen

I. Telegramm. (nach dem amtlichen Vermerk der Post auf der Photographie aufgenommen den 14. November 1914).

Geehrter Pascha,

Die Lage war gut, aber der Kriegszustand hat die Art unserer Bestrebungen verändert. Die Kriegserklärung hat die Notwendigkeit einer andersgearteten Taktik fühlbar gemacht. Es ist zweifellos, daß wir binnen kurzem erfolgreich sein werden.

Wichtig ist die Sicherung der Korrespondenz. Sie hätten Griechenland nicht verlassen sollen. Als Sie noch in Athen waren, schickten wir einen sicheren Boten mit einem Brief dorthin. Dieser Bote ist noch nicht zurückgekehrt, d.h. er hat Sie nicht auffinden können. Lassen Sie in Athen nach dem Boten und dem Brief nachforschen. Salih ist geflohen Wir wissen nicht, wo er sich aufhält. Die Leute, die Sie uns empfehlen, werden taugen. Besten Dank. Um den an der Spitze von Heer und Flotte stehenden deutschen Offizieren den notwendigen Schlag zu versetzen, bedürfen wir sehr dringend Geld. Die gegenwärtigen Verhältnisse bedingen auch größere pekuniäre Opfer. Bomben sind erforderlich. Wäre Geld vorhanden, so könnte man deren Herschaffung sicherstellen. Jedenfalls suchen Sie uns Bomben zu liefern. Der Erfolg ist sicher. Details folgen per Post.


Das leitende Komitee.

II. Telegramm (aufgegeben in Athen am 18. Nov. (?))

(nach dem auf dem türkischen Text befindlichen Vermerk die Antwort auf I).

Salih und der Bote sind nach Paris gekommen. Ihren Brief habe ich beantwortet. Beide fahren diesen Mittwoch über Dedeagatsch nach Stambul zurück.

Wegen der finanziellen und kriegerischen Krisis und mit Rücksicht auf die Unterbrechung der Verbindungen können wir kein Geld schicken. Haben erst die Russen Erzerum, Erzindjan und Wan besetzt, so wäre es unsinnig, das Land noch retten zu wollen. Mit den deutschen Schiffen werden ein türkisches Torpedo, mit den Offizieren unsere Kameraden schon fertig werden können. Vor uns liegt noch eine kurze aber besonders kostbare Zeit. Deshalb dringe ich nachdrücklich zum letzten Male in Sie, sofort gemäß unserem alten Programm vorzugehen.


Scherif.

III Telegramm (der türk. Text trägt das Datum vom 7 Techrin i sani 1330 = 20. Nov. 1914.)

Die gegenwärtigen Vorgänge haben in Constantinopel eine außerordentlich günstige Lage hervorgerufen. Es ist wichtig und notwendig, sofort von dieser Gelegenheit Gebrauch zu machen. Infolge des Eintritts der kalten Jahreszeit sind die Truppen in die Stadt gezogen und dort in leerstehende Häuser verschiedener Stadtviertel untergebracht worden. Sie kennen die geistige Auffassung unserer Soldaten. Der Zustand vom 31. März (gemeint ist der Zustand vom 13. April 1909 n. St.!) kann heute genau ebenso hervorgerufen werden. Man kann eine Menge Parteigänger gewinnen, indem man die ständige Berührung und die nahen Beziehungen zu den Truppen in einer Weise ausnutzt, wie es (so. damals?) nicht möglich war.

Aber es wäre notwendig, daß die hierfür erforderlichen Summen ohne Verzug in unsere Hände gelangten. Wird die Sache in dieser Weise von uns angefaßt, so ist es zweifellos, daß die Offiziere durch Habgier geleitet und gewonnen, unsere Bestrebungen freundlich aufnehmen würden. Vermutlich wird aber in der Unordnung der Korrespondenz (?) auch diese schöne Gelegenheit verpaßt werden und die beschränkten Komiteeleute werden der Strafe für ihre sonderbare Unvorsichtigkeit entrinnen.

Sadik Bey und seine Genossen sagten, sie hätten sich mit ihnen wieder verständigt. Ist dies richtig? Umgehende Antwort und Hochachtung.


Das leitende Komitee.

IV. Telegramm (in 2 Teilen am 27. Nov. 1914 aufgegeben)

Pascha!

Wir haben Ihr nach Inhalt anscheinend aus Paris abgesandtes Ziffertelegramm erhalten. Daß Salih und sein Begleiter sich bei Ihnen befinden, hat uns beruhigt. Bei ihrer Rückkehr erhalten wir wohl eingehende Nachrichten von Ihnen. Solange zu den Schwierigkeiten, die die jetzigen Verhältnisse geschaffen haben, auch der Mangel an materiellen Mitteln hinzutritt, können Sie ermessen, in wie böser Lage wir uns befinden.

Die in Ihrem Ziffertelegramm enthaltene Mahnung, sofort an die Arbeit zu gehen, hatte unser Gewissen schon vor Beginn des Unternehmens an uns gerichtet. Wir bedürfen daher von keiner Seite einer Anfeuerung oder eines Befehles. Aber seien Sie versichert, daß wir kein Ereignis Mahmut Schefket Pascha hervorrufen wollen, wir wollen vielmehr eine große Sache vollbringen, die mit einer gelungenen Umwälzung endigt.

Die gleichen Ratschläge und Mahnungen richten an uns auch die Mittelsmänner, mit denen Sie uns zusammenzuarbeiten empfehlen. Die Verhältnisse sind ganz anders, als Sie sich vorstellen. Die kleinste Handlung, die fehlschlägt, kann hier eine große Gegenwirkung zeitigen; die infolge der Gleichgültigkeit Europas zunehmende Kühnheit und Frechheit lassen hierzulande weder eine beherzte Opposition aufkommen, noch einen Nichtmuselmanen (?).

Wir wissen ja, wie freundlich unsere Vorgänger mit materiellen Mitteln Ihnen entgegengekommen sind, wir hatten es deshalb für zweckmäßig erachtet, durch Ihre Vermittelung an eine der Ententemächte zu appellieren. In dem Vertrauen, daß Sie aus unserem letzten Ziffertelegramm die Situation besser beurteilen werden pp.


Das leitende Komitee.



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