1917-10-01-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14097
Zentraljournal: 1917-A-34435
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Die schwedische Krankenschwester Alma Johansson an den armenischen Pater Arsenius Djendojan in Wien

Privatschreiben



Stockholm, den 1. Oktober 1917
Wörtliche Abschrift.

Geehrter Pater Djendojan!

Habe Ihren Brief erhalten und ach, daß ich nicht brauchte darauf antworten! Gute Auskünfte zu geben ist eine Freude, aber, wenn man nur von Blut und Tränen erzählen muß, ach es ist so schwer.

Sie haben richtig gedacht, ich bin mit einem Lehrer von 70 Mädchen in dem Hause gewohnt einige Jahre, bis alles vorbei war. Ihrer Schwager Bedros wurde schon ein paar Wochen vor dem Massaker umgebracht. Sie wohnten in einem kleinen Häuschen in d. Nähe von d. kathol. Kirche. So viel ich weiß, ist niemand übrig geblieben. Ihre Schwester sah ich am Abend ehe die Beschießung von der Stadt anfing. Die armenischen Stadtteile sind ganz niedergeschossen und verbrannt worden, und mit Ausnahme von einigen 100 Frauen und Kindern, die lebendig gefunden wurden, und dann umgebracht wurden, sind die Armenier alle in ihren Häusern umgekommen. Können Sie verstehen, was das sein müßte, es alles mit anzusehen und nichts tun können und dennoch am Leben bleiben müssen, können Sie verstehen, daß meine Seele so wund ist, daß sie nie in dieser Erdental geheilt werden kann.

Und im Garten vor dem Haus, habe ich die 3 ersten Märtyrer von meinen Kindern beerdigt, und dann sind die von der Regierung gekommen, der Kommandant und ein Stab von Offizieren und eine Menge Soldaten und haben alle Kinder weggenommen, zwar mit ihrem Ehrenwort versichernd, daß ihnen nichts geschehen sollte, aber die noch lebendig waren, sollen nach Mesopotamien geschickt werden. Alle meine Bitten und Vorstellungen waren vergebens. Nur 3 von den großen Mädchen dürfte ich als Bedienung behalten; nachher ist es mir auf wunderbarer Weise gelungen, auch den 3 Lehrerinnen zurückzubekommen, und diese habe ich, da es endlich möglich war zu reisen, mit nach Mamuret ul Asis mitgenommen. Die anderen alle, wie auch die Waisenhauskinder und unsere Angestellten sind alle ermordet worden, die meisten in Häusern lebendig verbrannt worden. Es waren ja einige Armenier, denen es noch gelungen war, vor der Massaker Musch zu verlassen, einigen ist es gelungen nach der russischen Seite zu entfliehen. Missionaren in Tiflis hat sie getroffen. Wie Sie wissen war Ariusch ein katholisches Dorf; von dem Dorfe haben doch welche sich versteckt halten können und sind später hervorgekommen. Da die Regierung meinte, jetzt seien keine Katholiken und Protestanten mehr am Leben, da hat sie für dieselben Lebenserlaubnis erlassen! So ist Musch nur noch eine Ruine. Ob der katholische Bischof am Leben ist, weiß ich nicht, der alte der Wartan Wartabedian von S. Garabed, der vertretender Bischof d. Gregorianer war, wurde auf eine häßliche Art betrogen und dann von d. Baladie Arzt selbst erschossen, von demselben wurde auch d. Apotheker Mekerdisch, den Sie sicher auch kennen, damit einen armenischen Arzt erschossen.

Ja, dies ist ja genug von Blut und Tränen für ein Mal. Ich habe ja offen gesprochen, weil ich denke, Sie haben schon so viel gehört, daß Sie auf diese furchtbare Nachricht vorbereitet waren. Bitte, lassen Sie mich wissen, ob der Brief durchkommt! Und sind dort welche Armenier, so grüßen Sie sie so herzlich von einer, die seit vielen Jahren und in viel Leid ein Teil von Ihrem Volk und Ihr Volk ein Teil von ihr geworden ist. Die Wurzeln meines Herzens sind in Armenien, soll ich es wohl einmal wiedersehen?

Der Gott allen Trostes tröste Ihre Herzen, Ihm und seiner Gnade seien Sie befohlen!

Mit innigem Gruß Ihre treu verbundene


[Alma Johannsen]

Pater Arsenius Djendojan VII/2 Mechitaristenstrasse 4, Wien.


[Die militärische Postüberwachungsstelle Dresden an die Sektion Abwehr Abteilung III b des Stellvertretenden Generalstabs der Armee 9.10.]

1 Anlage. Geheim!

Anbei 1 Brief.

Abs.: A. Johanssen, Stockholm, Brünnsgatan 3, Empf.: Pater Arsenius Djendojan, Wien VII/2, Mechitaristenstr. 4.

der eingehende Schilderungen von Armeniergreueln enthält.


[Töpel, Leutnant; Schmidt, Generalmajor z.D.]


[Der Stellvertretende Generalstab der Armee an die Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amts 13.10]

Der Brief wird von der Beförderung ausgeschlossen werden.

[v. Roeder]


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