1915-12-20-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 20035
Zentraljournal: 1915-A-36781
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 12/20/1915 11:55 PM
Telegramm-Ankunft: 12/21/1915 10:05 AM
Praesentatsdatum: 12/21/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 3006
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Pera, den 20. Dezember 1915

Antwort auf Telegramm Nr. 2512 {A 35824}. Mit Beziehung auf Telegramm des Militärattachés 712 vom 20. Dezember an General von Falkenhayn.

Halil Bey war erregt über die Form, in der die Bedingungen gestellt sind. Die Türkische Regierung sei ehrlich bemüht, in diesem Kriege Seite an Seite mit Deutschland zu gehen und vertraue darauf, daß nach dem Kriege die Türkei durch deutsche geistige und materielle Hilfe sich emporhebe. Sie wolle durch diesen Krieg das Joch abwerfen, unter das sie vordem durch die anderen Mächte gebeugt gewesen sei. Sie wahre daher mit einer gewissen Empfindlichkeit die Unabhängigkeit ihrer Entschließungen. Die jetzige Regierung sei deutschfreundlich und baue für jetzt und für später auf die Hilfe und die Freundschaft Deutschlands. Es liege daher auch in unserem Interesse, die jetzige Regierung zu stützen. Durch die schroffe Form der Bedingungen erschütterten wir ihre Stellung. Zu freundschaftlichen Verhandlungen sei sie bereit, aber Bedingungen könne sie sich nicht diktieren lassen.

Ich setzte dem Minister auseinander, daß wir mit unseren Vorschlägen auch nur berechtigte Interessen zu wahren wünschten, und daß wir keinen Zwang ausüben wollten, auch durchaus das Bestreben der Türkei nach Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen anerkennten und zu fördern wünschten.

Ich schlage Folgendes vor: Kann Forderung 2 und 4 nicht vorläufig zurückgestellt werden, da sonst von neuen Vorschüssen wenig für Kriegszwecke übrig bleibt. An den Dardanellen werden durch Einschiffung der Engländer bedeutende türkische Truppenmengen frei zur Verwendung am Suezkanal und im Irak, was aber neue Geldmittel erfordert. Nr. 3 wird wie vorgeschlagen, abgezogen oder durch Anleihe Anatolien befriedigt. Für Nr. 5 war Verständigung bevorstehend und kann auch jetzt noch erreicht werden. Zu 6. Es ist bekannt, daß die mit dem Generalintendanten Hakki Pascha in Verbindung stehende Vereinigung „Djemiet“ genannt, im eigenen Lande, auch zwangsweise, billig einkauft, um zu hohen Preisen zu verkaufen. Der Verkauf von Kriegsministerium zu Kriegsministerium gestattet unsere Übervorteilung durch Hakki Pascha. Trotzdem könnte sich als Konzession Kaufmanns, etwa durch hiesige Rohstoffkommissionen, dahin geeinigt werden, daß größere Posten Wolle zu vereinbarten Preisen von Hakki Pa. an uns verkauft wird, so daß ihm etwa 4 Millionen Mark Profit abfallen gegen Zusicherung, später auf freiem Markte zu kaufen. Durch derartiges kaufmännisches Abkommen mit Generalintendanten würden zahllose kleine Schwierigkeiten, in deren Bereitung Türken Meister sind, beseitigt, und da wir Wolle brauchen, ist der Bakschisch im Vergleich zu anderen Kriegsausgaben nicht zu hoch. Für Chromerz war Verständigung nahe und kann noch erreicht werden. Zu 7. Deutscher Finanzfachmann sollte, wie schon für das Finanzministerium, als Ratgeber von der türkischen Regierung erbeten, nichts als Zwang unsererseits verlangt werden. Sämtliche Bedingungen sollten nicht in schroffe Form gekleidet, sondern als im Interesse der Türkei selbst hingestellt werden, um Empfindlichkeiten zu schonen und Annahme zu erleichtern, was allerdings jetzt schwerfällt. Enver, mit dem ich ebenfalls bei Halil Bey sprach, will nicht als Bedingung für Vorschüsse Kontrollen durch deutschen Finanzmann annehmen.

Soll ich versuchen, unseren Wünschen entsprechend, zu verhandeln ohne Rückzug unsererseits und ohne Pression auf Türken, wenn 2 und 4 fallen gelassen oder stark reduziert werden?


[Metternich]



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