1916-03-07-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R14090
Zentraljournal: 1916-A-06225
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 03/07/1916
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Reichstagsabgeordnete Matthias Erzberger an den Legationsrat im Auswärtigen Amt Rosenberg

Privatschreiben



Berlin, den 7. März 1916
Budapesterstrasse 14

Sehr geehrter Herr Baron!

Gemäss unserer Absprache haben wir für die notleidenden Armenier eine Kollekte in kleinem Kreise angeregt. Der Bischof von Metz, hat sie durch das kirchliche Amtsblatt, das nur dem Klerus zugeht ganz vorsichtig angedeutet.

Der Gouverneur von Metz hat hiergegen unter dem 12. Februar Einspruch erhoben. Ich übersende anbei Abschrift des Schreibens und würde es für gut halten, den Herrn Gouverneur darauf aufmerksam zu machen, dass er die Abhaltung dieser Kollekte gestattet. 1

Mit vorzüglicher Hochachtung bin ich


Ihr ergebener
Erzberger

Anlage 1

Abschrift

Metz, den 15. Februar 1916
Euerer Eminenz

beehre ich mich, umstehend die Abschrift eines Schreibens mitzuteilen, welches das hiesige Gouvernement an mich gerichtet hat. Euere Eminenz ersehen aus demselben, daß die Abhaltung einer Kollekte für die notleidenden Armenier beanstandet wird. Ich wäre Euerer Eminenz dankbar, wenn Sie die Güte haben wollten, mir mitzuteilen, welche Stellung in Preußen die Behörde zu dieser Angelegenheit einnimmt.

In ehrfurchtsvoller Ergebenheit
[Willibrord]
Bischof von Metz
Anlage 2

Gouvernement Metz
Abteilung Z.
Nr. Z 510/16.

Metz, den 12. Februar 1916

An Seine Gnaden den Herrn Bischof zu Metz

In der der hiesigen Zensur vorgelegten Nr. 3 des Amtsblattes der Diözese beabsichtigen Euer Gnaden unter Ziffer 11 eine Kirchenkollekte für die notleidenden Armenier auszuschreiben.

Im Einvernehmen mit der Landesregierung hege ich erhebliche Bedenken gegen die Veranstaltung dieser Kollekte. Nicht nur daß sie die Mildtätigkeit der Gläubigen zum unausbleiblichen Nachteile dringender und uns näherliegender Hilfsaktionen in Anspruch nimmt und zwar zu Gunsten einer Bevölkerung, die durch ihre feindselige Haltung gegen unsere Bundesgenossen und damit gegen uns selbst strenge Maßnahmen gegen sich heraufbeschworen hat, sie ist auch in hohem Grade der Mißdeutung ausgesetzt, daß mit ihr eine Protestaktion gegen das unzweifelhaft berechtigte Vorgehen unserer Verbündeten beabsichtigt sei. Wie ich aus der Anmerkung zu dem Erlasse ersehe, haben Euer Gnaden selbst das Gefühl gehabt, daß letztere Gefahr vorliege. Diese besteht aber mindestens im gleichen Maße wie bei einer Verlautbarung in der Tagespresse auch bei einer Bekanntgabe von der Kanzel. Insbesondere dürfte zu befürchten sein, daß die von Euer Gnaden den Pfarrern anbefohlene warme Empfehlung nicht in allen Fällen mit der gebotenen Zurückhaltung erfolgen möchte. In dem Erlasse Euer Gnaden selbst finden sich nähere Ausführungen über den angeblich vorhandenen Notstand, die amtlich nicht bekanntgegebene Tatsachen enthalten, welche für unsere Bundesgenossen ungünstig gedeutet werden können und sich daher zur öffentlichen Bekanntgabe nicht eignen.

Aus diesen Gründen habe ich vorläufig die Zurückstellung der Veröffentlichung im Amtsblatte angeordnet und möchte Euer Gnaden einen Verzicht auf die Veranstaltung der Kollekte nahelagen. Auch in der Diözese Straßburg findet eine solche Kollekte nicht statt. Ich nehme an, daß auch die Landesregierung sich in gleicher Angelegenheit mit Euer Gnaden in Verbindung gesetzt hat.


Der Gouverneur
gez: v. Oven
General der Infanterie



1Anmerkung Rosenberg: S.E. dem H.U. St. [Herrn Unterstaatssekretär] gef. vorg. Herr Erzberger erwähnte vor längerer Zeit flüchtig die Idee einer Kollekte ”in kleinerem Kreise”, bei der jedes Aufsehen vermieden und auf die Türkei gebührende Rücksicht genommen werden sollte. Anscheinend ist daraus jetzt eine regelrechte Kollekte geworden, die m.E. mit Recht beanstandet wird.



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