1916-07-27-DE-004
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Quelle: DE/PA-AA/R 20088
Zentraljournal: 1916-A-20337
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 07/29/1916
Praesentatsdatum: 08/01/1917 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 426
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Therapia, den 27. Juli 1916

Im gestrigen Leitartikel des „Ikdam“ behandelt dessen zur Zeit in Lausanne weilender Eigentümer und Chefredakteur Ahmed Dscheved Bey unter der Überschrift „Konstantinopel und die Meerengen, Rußland und seine Verbündeten“ die Frage, weshalb die Türkei an der Seite der Mittelmächte am Kriege teilgenommen habe. Der Artikel ist beachtenswert wegen des Einflusses, den Ahmed Dscheved auf die türkische Intelligenz ausübt.

Er weist zunächst auf die Erklärungen Sasonows und Goremykins in der Duma hin und auf die Reden Miljukows und Kowalewskis, welche die Absichten Rußlands auf Konstantinopel und die Meerengen klar aufdeckten. Sobald die Russen im Laufe des Krieges einen militärischen Erfolg erzielten, würfen sie die Meerengenfrage aus. Sie erklärten, ihr Kriegszweck sei der Besitz Konstantinopels und nicht Eroberungen an der deutschen und oesterreichischen Grenze. Obgleich diese russischen Pläne den Interessen Englands nicht entsprächen, sei doch kein Zweifel, daß dieses Rußland zufriedenstellen würde, sobald es der russischen Regierung durch Waffenerfolge gelänge, ihrer Stimmung Geltung zu verschaffen. Allerdings würde England alsdann zugleich auf Mittel sinnen, um allzu weitgehenden russischen Aspirationen vorzubeugen. Keines dieser Mittel sei indessen für die Türkei günstig.

Wenn die Entente siege, werde sie unzweifelhaft der Türkei das Lebensrecht absprechen. Sowohl England wie Frankreich und Rußland hätten es auf türkisches Gebiet abgesehen. Für die Türkei sei also die Beteiligung am Kriege geradezu eine Lebensfrage.

Auch wenn die Türkei neutral geblieben wäre, würde sie im Falle des Sieges der Entente von dieser vernichtet worden sein und Rußland Konstantinopel und die Meerengen annektiert haben. „Es gab im Augenblicke unseres Eintritts in den Krieg keinen urteilsfähigen Türken, der der Ansicht gewesen wäre, daß die Neutralität uns größere Vorteile gebracht hätte als der Kriegszustand. Zum Kriege getrieben hat uns der Gedanke, daß wir durch unser Eingreifen die Gruppe, der Rußland angehört, schwächen und unser Reich vor dem Zerfall bewahren.“

Andere Artikel über dieselbe Frage sollen folgen.


P. Metternich



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