1915-05-25-DE-004

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Quelle: DE/PA-AA/R 20186
Zentraljournal: 1915-A.S.-2590
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Praesentatsdatum: 05/25/1915
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts (Jagow) an den Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim)

Erlaß

Pleß, den 25. Mai 1915

Geheim. Wir hören von Wien, daß Italien der Türkei Neutralitätsabkommen anbietet. Wie Ew. Exzellenz bekannt, halten wir für richtig, daß Türkei möglichst lange Beziehungen mit Italien aufrecht erhält und nicht in Krieg eintritt. Ein Neutralitätsabkommen aber würden wir auch im türkischen Interesse für unzweckmäßig erachten. Italien will dasselbe voraussichtlich nur abschließen, weil es sich vor Beunruhigung in Lybien sichern möchte. Zu einem ihm günstig erscheinenden Zeitpunkt würde es aber voraussichtlich unter irgendeinem Vorwand, z.B. dem, daß türkische Offiziere in Lybien kämpfen, erklären, daß Türkei das Abkommen nicht innegehalten habe, und es würde dann seinerseits doch Krieg gegen Türkei eröffnen. Denn Italien wünscht Gebietserwerb in Kleinasien und scheint auch mit der Entente diesbezügliche Abmachungen getroffen zu haben, die wahrscheinlich auch Kooperation gegen Türkei zu einem gewissen Zeitpunkt einschließen. Mit Neutralitätsabkommen würde Italien sich also nur vorläufig vor Belästigungen in Lybien sichern wollen, um dort Truppen wegziehen zu können und hierbei auf türkische bona fides bauen, diese selbst aber im gegebenen Moment mit punischer Untreue vergelten. Um aber Italien nicht vor den Kopf zu stoßen und Frieden möglichst lange zu erhalten, raten wir, daß Türkei anscheinend auf Neutralitätsverhandlungen eingeht und diese dilatorisch behandelt, aber nicht Abkommen abschließt. Türkei hat es dann in der Hand, ob und wann sie mit Italien in Krieg treten will.

Das hindert nicht, daß die Senussi inzwischen schon Italien in Lybien bedrohen und seine Streitkraft dort fesseln. Türkei kann die Senussi, die ihre Oberhoheit nicht anerkennen, immer désavouieren.

[Jagow]

[Verfügung Jagow]

Inhalt dieser Instruktion ist zur persönlichen Information an Tschirschky zu geben (durch Erlaß) mit dem Bemerken, daß Baron Burian der gleichen Ansicht ist.

[Jagow am 26.5. an Wien (Nr. 337)]

Zu E.E. gefl. persönl. Inform.

Ich habe dem Ks. Botschafter in Konstantinopel gestern folgende telegraphische Instruktion erteilt:

„[ins. aus Tel. nach Pera]“

Baron Burian teilt die im Vorstehenden niedergelegte Ansicht.