Bei dem letzten Empfang sagte mir Rifaat Pascha, es sei von dem Vali von Adana - derselbe ist erst seit kurzer Zeit ernannt - bei der Pforte wegen eines unhöflichen Briefs, den der Kaiserliche Konsul in dieser Sache an ihn geschrieben, Beschwerde eingegangen. Der Vali bemerkt dabei, dass nicht er, sondern die militärische Untersuchungskommission die Verhaftung des Armenier verfügt habe. Der Minister gab mir ein in türkischer Sprache geschriebenes, vom Vali eingesendetes Dokument, welches den Brief Christmanns sowie die Bestätigung, dass die Verhaftung von der Untersuchungskommission verfügt wurde, enthält. Er gab mir zu erwägen, ob nicht eine Rektifikation des Konsuls einzutreten habe. Uebersetzung des Schriftstückes ist beigeschlossen.
In Adana ist der Belagerungszustand erklärt. In diesem Falle gehen nach türkischem Gesetz alle polizeilichen und gerichtlichen Befugnisse von den Zivilbehörden auf die Militärbehörden über. Die Behauptung des Vali, dass nicht er sondern der Militärbefehlshaber die Verhaftung verfügt habe, scheint also glaubhaft. Unter allen Umständen ist die Form des von Christmann an den Vali geschriebenen Briefes unziemlich und den Verhältnissen der beiderseitigen Beamten nicht entsprechend. Ich werde in diesem Sinne Rifaat eine Erklärung abgeben.
Das Verlangen des Konsuls Christmann, dass von der Pforte die Freilassung des Armeniers erwirkt werde, entbehrt der rechtlichen Grundlage. Dadurch, dass ein Deutscher einen türkischen Unterthanen mit irgendeiner geschäftlichen Mission betraut, wird ein Recht der deutschen Vertretung, zu Gunsten des letzteren zu intervenieren, nicht begründet.
Übersetzung des Schreibens des deutschen Konsuls in Mersina vom 11. Mai 1909, Nr. 277.
Ich erinnere mich der strengen Befehle, die Eure Exzellenz vergangenen Sonntag in meiner Gegenwart dem Chef der Gendarmerie gegeben haben betreffend die Bestrafung derer, die einen von Herrn Stöckel auf ein ihm verpfändetes Landgut gesandten Armenier bedroht hatten. Wie ich einem Briefe des Herrn Stöckel aus Adana entnehme, erklärt er, daß das von Eurer Exzellenz Gesagte die üblichen Redensarten der Beamten seien und ein Mittel, sich der rechtmäßigen Erfüllung der Pflicht zu entziehen, und daß Sie den Armenier verhaftet haben, was als Beleidigung betrachtet wird. Wenn der bezeichnete Armenier nicht freigelassen wird, werde ich mich an die Botschaft in Konstantinopel wenden und sie davon in Kenntnis setzen, in welcher Weise Beamte verfahren, die zu Hütern der Ordnung berufen sind. Ich wiederhole, daß ich die Regierung für einen etwa entstehenden Schaden verantwortlich machen werde, und ich erkläre, daß ich für diejenigen deutschen Staatsangehörigen, die aus dem Mangel an Gerechtigkeit, Ordnung und Ruhe mittelbar oder unmittelbar Schaden erleiden, von der Regierung Entschädigungen verlangen werde. Ich habe meinen Dragoman Walis Dschivioglu beauftragt, diesbezüglich auch mündlich Beschwerde zu führen. Die deutsche Gesellschaft besaß in folgenden Magazinen Baumwolle:
1. das des Koches Bedros ist vollständig verbrannt.
2. Dewelik ist beraubt worden.
3. Uhanoglu desgleichen
4. Samur Kasch hat noch nicht nachgeprüft werden können
5. Kaltakdschi. Die Mauer dieses Magazins ist durchbrochen und sein Inhalt gestohlen
Die deutsche Gesellschaft in Adana hofft, daß Eure Exzellenz wegen des vorauszusehenden Schadens energische Maßregel ergreifen, und behält sich vor demnächst über den entstandenen Schaden eine genaue Liste vorzulegen.
Der Konsul des deutschen Reiches
Unter demselben Datum eilend an die Untersuchungskommission zur Äußerung über den Grund der Gefangennahme dieses Mannes.
Aus dem schriftlichen Bericht des Gendarmen Aghop und aus der späteren Untersuchung geht hervor, daß der vorbezeichnete Armenier Murad Tatrussian Dikran in seinem Hause Armenier versammelt und daß er oder seine Genossen unausgesetzt auf Muselmanen geschossen haben. Ferner geht aus dem Zeugnis des Helekedschi Redscheb und des Helekedschi Said und des Mehmed Emin Effendi hervor, daß der genannte Tatrussian Dikran den zwölfjährigen Sohn Bekir des Lehrers Davran Effendi und dessen arabischen Diener eigenhändig getötet hat. Dies ist der Grund seiner Gefangennahme.
Am 20. April 1325. Im Namen der Untersuchungskommission Hussein.
Für die Übersetzung Schönberg.