1913-05-06-DE-001
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1913-05-06-DE-001
Quelle: DE/PA-AA/R14078
Zentraljournal: 1913-A-10011
Botschaftsjournal: J. No./1913/423
Erste Internetveröffentlichung: April 2012
Edition:
Telegramm-Abgang: 05/06/1913
Praesentatsdatum: 05/16/1913 a.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 10/15/2017


Der Konsul in Adana (Anders) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Adana, den 6. Mai 1913

J.No. 423
Ktr. N0. 29

Am Montag den 5. Mai Vormittags 11 Uhr 20 traf der Chef der Mittelmeer-Division Kontre Admiral Trummler, begleitet vom Admiralstabsoffizier Korvetten-Kapitän Gartzke und vom Flaggleutnant Oberleutnant zu See Wichelhausen, sämtlich in großer Uniform, in einem von der Bagdadbahngesellschaft gestellten Sonderzuge hier ein. Am Bahnhof ließ der Vali durch den Vilajetsdragoman und der Militärkommandant durch einen Offizier in Parade-Uniform die Herren willkommen heißen. Die Leiter der hiesigen deutschen Unternehmungen (Bauabteilung der Bagdadbahn, Deutsche Orientbank und Deutsch-Levantinische Baumwollgesellschaft) sowie das Personal des Konsulats hatten sich ebenfalls zur Begrüßung eingefunden. Die Auffahrt vom Bahnhof zum Regierungskonak, welche durch die Hauptstraße von Adana und durch den Bazar führte, erregte ungeheures Aufsehen unter der Bevölkerung. Vor dem Konak präsentierte eine Abteilung Gendarmen, ebenso standen im Treppenhaus Gendarmen und Polizeisoldaten Spalier.

Der Vali, ebenfalls in großer Uniform, empfing den Admiral sehr liebenswürdig und gab seiner Freude Ausdruck, einen so hohen deutschen Offizier in seinem Vilajet begrüssen zu dürfen. Er sprach sodann in echt orientalischer Höflichkeit seine Bewunderung aus über die mächtige Entwickelung der deutschen Flotte, welche in den letzten 20 Jahren infolge unermüdlichen Eifers Seiner Majestät des Kaisers und des Admirals von Tirpitz so stark geworden sei, daß sie nun, ebenso wie die deutsche Armee, der ganzen Welt Achtung geböte. Auf die Aufforderung des Admirals, sich selbst durch einen Besuch S. M. S. "Goeben" von der Größe der modernen Schlachtschiffe zu überzeugen, bat der Vali sich eine definitive Antwort vorbehalten zu dürfen, da er in diesen Tagen außerordentlich wichtige Regierungs-Angelegenheiten zu erledigen habe und deshalb, obwohl er persönlich dem lebhaften Wunsch zu einem Besuch an Bord hege, wahrscheinlich nicht abkömmlich sein werde. Er betonte dabei den großen Eindruck, den ihm der Besuch an Bord S.M.S Herta im Dezember v.J. gemacht habe und sprach sich sehr rührend über die Manneszucht und die Ausbildung der Besatzung sowie über die persönliche Liebenswürdigkeit des Kapitäns zur See von Natzner aus. Der Admiral erkundigte sich alsdann nach den in Deutschland auf der Schule befindlichen Kindern des Vali und deren Ergehen. Das Gespräch nahm nunmehr einen sehr kordialen Charakter an. Der Vali versprach, einen Beamten als Mihmandar (Ehrendienst) zu einem vom Admiral geplanten Ausflug auf der Bagdadbahn zu entsenden. Beim Aufbruch gab der Vali nochmals seiner Genugtuung über die Ehre des Besuchs Ausdruck. Es folgte sodann der Besuch beim Militär-Kommandanten, Kommandeur der Adana Redif-Division, Oberst Emin Bey, vor dessen Konak eine Halbkompagnie militärische Ehren erwies. Emin Bey nahm die Einladung zu einer Schiffsbesichtigung und anschließendem Frühstück für Freitag den 9. Mai dankend an.

Bei dem nun folgenden Besuche beim armenischen Katholikos von Sis wurden von deutscher Seite Anspielungen auf politische Verhältnisse vermieden. Der Katholikos versicherte seinerseits spontan dem Admiral, daß jetzt im Vilajet Ruhe herrsche und daß die Regierung nach seiner Überzeugung die feste Absicht habe, keine Unruhen und Treibereien aufkommen zu lassen. Der Katholikos beteuerte sodann, daß seine armenische Gemeinde nur aus guten Ottomanen bestünde, welche keinerlei Sonderzwecke verfolgten. Er dankte dem Admiral für seinen Besuch und versicherte, daß das Erscheinen der deutschen Kriegsschiffe wesentlich zur Aufrechterhaltung der Ruhe im Vilajet Adana beigetragen habe.

Am Nachmittag folgten in derselben Reihenfolge die Gegenbesuche, die der Admiral im Kaiserlichen Konsulat, auf dem ich anläßlich seines Besuches geflaggt hatte, entgegen nahm. Der Vali gab diesmal in seinem und aller Ottomanen Namen seiner Dankbarkeit Ausdruck dafür, daß bei allen Schicksalsschlägen der letzten Zeit die deutsche Presse und die deutsche öffentliche Meinung unentwegt für die Türkei Partei benommen haben. Der Admiral dankte und sagte, er wisse die Gefühle der Ottomanen, die ihm auch der Vali von Smyrna kürzlich in gleicher Weise zum Ausdruck gebracht habe, sehr zu schätzen. Der Vali sagte sodann, er habe schon sehr viel in den türkischen Zeitungen von den Vorzügen S. M. S. Goeben gelesen, besonders anläßlich der Beschreibung des Besuches des Großvezirs und des Ministers Prinzen Said Halim an Bord. Er würde es lebhaft bedauern, wenn seine Amtsgeschäfte ihn an einer Reise nach Mersina verhindern sollten.

Der Gegenbesuch des Militärkommandanten verlief in üblicher Weise. Der Katholikos fürchtete den Argwohn der Lokalregierung, wenn er einen Besuch an Bord machen wurde, sagte aber dann die Besichtigung des Schiffes zu. Nachmittags 5 Uhr trat der Admiral im Sonderzuge die Rückreise nach Mersina an und sprach mir beim Abschied seine Genugtuung darüber aus, daß die Erledigung der offiziellen Besuche ohne Zwischenfall verlaufen war.


Anders



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved