Einführung

Der Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg war das erste gewaltige Menschheitsverbrechen des an Genoziden reichen 20. Jahrhunderts. Er soll in dieser Internet-Veröffentlichung anhand offizieller deutscher Dokumente belegt und in seinen Einzelheiten geschildert werden.

Deutschland war im Ersten Weltkrieg der engste Verbündete des Osmanischen Reichs. Nur die deutschen Diplomaten und Militärs konnten unzensiert über Draht – das damals schnellste Kommunikationssystem - berichten, ein Privileg, das nicht einmal den ebenfalls verbündeten Österreichern zustand. Deutsche Diplomaten und ihre Informanten aus den Missionsstationen oder den Reihen der Bagdadbahn waren – neben den neutralen Amerikanern - die wichtigsten nicht-armenischen Augen- und Ohrenzeugen des Völkermords.

Die deutschen Militärs hatten nahezu ungehinderten Zugang zu den Gebieten, in denen der Genozid hauptsächlich stattfand. Deutsche Diplomaten reisten nur sporadisch in die mesopotamische Wüste entlang des Euphrat und südlich der Bagdadbahn, durch jene Gebiete, in die die meisten Armenier getrieben worden waren, um dort umzukommen oder umgebracht zu werden. Aber sie sammelten auch Berichte der Militärs über diese Region und waren oft in der Lage, diese zumindest teilweise zu verifizieren.

Johannes Lepsius hatte 1919 die Aktenpublikation „Deutschland und Armenien 1914-1918“ herausgegeben, die aber zum Teil manipuliert war. Eine revidierte und dabei durch Anhänge erheblich erweiterte Fassung der von Lepsius publizierten Akten zum eigentlichen Völkermord bildeten einen Teil der hier veröffentlichten Dokumentation. Hinzu kommen mehr als 500 neue bislang weitgehend unbekannte Akten. Damit steht der Forschung das Kernmaterial zum Genozid zur Verfügung, das die deutschen Archivare des Auswärtigen Amts seinerzeit unter dem Rubrum „armenische Angelegenheiten in der Türkei“ gesammelt hatten. Stand für Lepsius in seiner Ausgabe von 1919 neben dem Völkermord hauptsächlich die Hilfstätigkeit deutscher Organisationen - zu denen auch die von Lepsius geleiteten zählten - im Vordergrund, so runden die neu publizierten Dokumente das Gesamtbild des Völkermords ab und beleuchten auch die Tätigkeiten einzelner Akteure, inklusive die von Johannes Lepsius.

Neben den Abstracts gibt es einen kombinierten Sach-, Personen- und Ortsindex, der einen schnellen Zugang zu Teilproblemen möglich macht. Die Schreibweisen von Personen und Orten wurden für diesen Index harmonisiert, während sie in den Dokumenten ihre Originalform behalten haben. Auch sind in den Originalen sprachliche Eigenheiten selbst dann bewahrt, wenn sie mißverständlich oder gar fehlerhaft sind, desgleichen die Interpunktionen. Lediglich wenige grobe oder offensichtliche Fehler sind vorsichtig korrigiert worden. Nicht zu entziffernde Worte werden mit [unleserlich] kenntlich gemacht. Eckige Klammern den Einfügungen der Herausgeber vorbehalten. Alle Fußnoten des Originals werden als Fußnoten in Normalschrift wiedergegeben, die Fußnoten der Herausgeber kursiv und einer um zwei Punkt kleineren Schrift, zumeist in Magenta kenntlich gemacht.

Die Dokumentationsnamen setzen sich zusammen aus Jahr, Monat, Tag, der ISO-Abkürzung für das jeweilige Land, in dem das Dokument sich befindet, sowie einer dreistelligen freien Ziffer. Als Kalender wurde der gregorianische gewählt. Dokumente aus Ländern, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs nicht den gregorianischen Kalender eingeführt hatten, werden umgerechnet.

Der Aufbau der Originaldokumente selbst ist beibehalten worden. Der Kopf des eigentlichen politischen Dokuments enthält für die nach Berlin geschickten Akten die Ziffer der Zentralregistratur (zumeist A-Nummer) mit den dazugehörigen Präsentatsvermerken, ferner die Ausgang- und Eingangsregistrierungen der Botschaften und Konsulate. Die Zählung erfolgte für jedes Jahr neu, wobei Botschaft und jedes Konsulat eine eigene Ziffernfolge hatte, die darüber hinaus für Telegramme und Berichte getrennt geführt wurden. Ferner enthält der Kopf die Abgangs- und Ankunftszeiten für Telegramme.


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