1918-05-15-DE-002-V

DuA Dok. 392 (re. gk.)

Der Botschafter in Konstantinopel (Bernstorff) an das Auswärtige Amt

Nr. 719

Konstantinopel, den 15. Mai 1918

General von Lossow drahtet:

Maßlose türkische Forderung auch auf die rein armenischen Gebiete von Achalkalaki, Alexandropol und Eriwan abzielt auf Gebietserwerb weit über Brester Vertrag hinaus, auf völlige Ausrottung der Armenier auch in Transkaukasien und auf alleinige gewinnsüchtige wirtschaftliche Ausbeutung Kaukasiens.

13. abends haben Türken Überlassung der Bahn Kars-Alexandropol-Dschulfa in Form Ultimatums von ... verlangt, ohne mich vorher benachrichtigt und mein Einverständnis erlangt zu haben. Ich habe ...1 wegen protestiert. Mein Vermittelungsvorschlag auf Grund dessen prinzipielle Regelung wichtigsten und brennendsten Fragen in einer Stunde zu erlangen wäre, ist folgender:

1.) Türken müssen Brester Vertrag als Basis anerkennen.

2.) Um türkischer Eitelkeit zu schmeicheln und ihnen Rückzug zu erleichtern, wird in Form von Grenzregulierungen mohammedanischer Bezirk von Achalzich ausgetauscht gegen georgisches Gebiet nördlich Batum und rein armenischen Ostteil ...1 Bezirk Kars, wobei Festung Kars Türken verbleibt.

...1 ist einverstanden, Halils Stellung noch unbekannt. Sobald Vorschlag angenommen, kann Transport türkischer Truppen Kars-Dschulfa beginnen, jedoch nur unter deutscher Leitung und Garantie. Ich bitte daher sofort kleine Kommission zu schicken, die gemeinsam mit mir in Tiflis Bahnsachen bearbeitet, sowie ein deutsches Bataillon, das Wach- und Ordnungsdienst auf den Stationen von Alexandropol bis Dschulfa übernimmt. Dies wird von Kaukasiern unbedingt verlangt, da sie Türken gegenüber größtes Mißtrauen haben. Türkische Leitung oder Beeinflussung kaukasischer Bahn wird mit größter Entschiedenheit abgelehnt.

Zusatz: 4 Uhr nachmittags aus Besprechung mit Halil geht klar hervor, daß er, Wehib und ich im Prinzip einig sind. Enver bleibt aber auf seinen unsinnigen Forderungen bestehen, behauptet von deutscher O.H.L. im vollen Umfang unterstützt zu sein und verlangt sofortiges Ultimatum. Wenn neuer blutiger Krieg im Kaukasus vermieden werden soll, muß Botschafter unverzüglich Talaat erklären, daß von Türken falsch unterrichtete deutsche O.H.L. niemals Envers Forderung unterstützen kann und schärfsten Protest gegen verbündetes Interesse schwer schädigendes türkisches Vorgehen einlegt.

Zusatz. Verhandlungen wie bisher sind derartig schwierig und wenig hoffnungsvoll, daß ich vorschlagen muß, dieselben ganz hierher zu verlegen, namentlich wenn Österreich-Ungarn und Bulgarien hinzutreten. Unsere Delegation müßte aber trotzdem in Batum bleiben, weil wir sonst nicht wüßten, was dort inzwischen vorginge. General von Lossow könnte z.B. im Kaukasus bleiben als Vertreter der O.H.L. Wir werden doch für alles die Verantwortung übernehmen müssen.


[Bernstorff]

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