1916-02-10-DE-001-V

DuA Dok. 236 (re.); 237 (re. gk.)

Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Nr. 58

Pera, den 10. Februar 1916

Im Anschluss an Bericht No. 55

2 Anlagen/Abschriftlich

mit dem Hinzufügen ergebenst vorgelegt, dass ich auch dem hier anwesenden Reichstagsabgeordneten Erzberger von dem Inhalt dieser Telegramme sowie der letzten sonst hier vorliegenden bezüglichen Berichte Kenntnis gegeben habe. Herr Erzberger, welcher im Begriff steht, mit Talaat Bey und Enver Pascha sich über die Armenierfrage und deren eventuelle Folgen zu unterhalten und beiden Ministern darüber ein Promemoria zu hinterlassen, behält sich vor, eine Abschrift des letzteren sowie eine Aufzeichnung über die Ergebnisse seiner Unterredungen auch zur Kenntnis Euerer Exzellenz zu bringen.


Wolff-Metternich
Anlage 1

Abschrift.

Telegramm aus Aleppo vom 9. Februar 1916

Unter Bezug auf Bericht vom 26. Januar No. 236

1. 71 hiesige armenische Familien Aintab stammend aber grösstenteils schon jahrelang hier werden verschickt. Dies wird nur ein Anfang sein.

2. Armenier die mit Erlaubnis der Regierung seit einigen Monaten auf Güter in der Provinz Aleppo angesiedelt waren, werden jetzt weiter verschickt vielleicht 10000 Menschen.

3. Befehle der Zentralregierung scheinen milder aber Vali und Verschickungskommissar arbeiten unerbittlich an Vernichtung.


[Roessler]


Anlage 2

Abschrift.

Telegramm aus Erzerum vom 9. Februar 1916

Wali hat mir durch Polizeipräsidenten sagen lassen, daß auf Befehl des Armeekommandanten Kiamil Pascha, respektive der Militärbehörde, alle armenischen Frauen und Mädchen, die unter unserem Schutze stehen, ausgewiesen werden. Männer stehen keine unter unserem Schutze.

Euere Exzellenz bitte ich gehorsamst, dringende Schritte zu unternehmen, damit unsere Schützlinge hier verbleiben können.

Selbst von den ausgewanderten reichen und wohlhabenden Familien sind unterwegs viele durch die Kälte zugrunde gegangen.

Ich bitte um Drahtweisung, welche Stellungnahme Sie in dieser Angelegenheit genommen haben und wie ich mich zu den hiesigen Behörden verhalten soll. Müssen die Armenier auswandern, so ist es sicher, daß alle umkommen werden, sei es durch Erfrieren, sei es durch die wilde und rachsüchtige Bevölkerung oder verhungernde Soldaten.


Werth.
Telegramm

Erserum, 10. Februar 1916


Armeekommandant Kiamil Pascha und Vali teilen mir soeben mit, daß dieser Befehl im Interesse der ganzen Bevölkerung erteilt worden ist. Ich selbst soll sobald als möglich nach Ersindschan.

Für unsere Schützlinge werden durch die Militärbehörden Wagen verschafft und sollen ihnen auch Gendarmen zur Bewachung auf den Weg gegeben werden.


[Werth]

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