1918-06-08-DE-001-V
DuA Dok. 399 (gk.)

Der Legationssekretär im Großen Hauptquartier (Berckheim) an das Auswärtige Amt

Nr. 1363

Großes Hauptquartier, den 8. Juni 1918

Im Anschluß an Tel. 1238.[1]

General Ludendorff hat durch General von Seeckt an Enver Pascha gedrahtet:

„Euerer Exzellenz möchte ich meine Überraschung nicht verhehlen, daß die deutsche O.H.L als der Urheber der im Kaukasus entstandenen Reibungen bezeichnet wird.

Die Türkei hat sich ohne irgendwelche Rücksichten auf die Bundesgenossen über die in Brest geschlossenen Verträge, soweit sie Transkaukasien betreffen, hinweggesetzt. Die Deutsche Regierung hat hiergegen bereits Verwahrung einge­legt und auf die Folgen eines solchen Verfahrens hingewie­sen. Ich möchte nicht unterlassen, Euerer Exzellenz zu versichern, daß ich mich mit dem Vorgehen der Deutschen Regierung in vollster Übereinstimmung befinde.

General von Lossow hat den Bahnschutz auf der Bahnlinie Poti–Tiflis–Alexandropol aus deutschen Kommandos gebildet, nicht lediglich aus deutschem Interesse, sondern auch im Interesse der türkischen Operationen in Richtung Dschulfa. Diese Bahnwachen sind deutsche Truppen, und ich erhebe Einspruch dagegen, daß sie von dem Führer der 3. Armee nicht entsprechend respektiert werden.

Euere Exzellenz ersuche ich nochmals, die durch den Brester Vertrag gezogenen Grenzen zu respektieren, widrigenfalls ich mir die Freiheit weiterer Entschließungen vorbehalten muß.

Verträge, die zwischen der Türkei und den transkaukasischen Staaten unter Umgehung Deutschlands, Österreichs und Bulga­riens abgeschlossen wurden, vermag ich von vornherein nicht anzuerkennen.

Wie Euerer Exzellenz bekannt, habe ich stets Ihre Interessen und Wünsche warm vertreten. Ich muß es Euerer Exzellenz gegenüber klar aussprechen, daß ich dies für die Folge nicht nur nicht tun kann, sondern daß das vertragswidrige Vorgehen der Türkei für mich jedes Zusammengehen mit Euerer Exzellenz ausschließen würde."

Zusatz für General von Seeckt:

„Ich bitte, daß Enver auch Ihrerseits auf den Ernst der durch die Türkei unter Umgehung ihrer Verbündeten geschaffenen Lage aufmerksam gemacht wird. Sollte die Türkische Regierung trotz alledem auf dem betretenen Wege nicht innehalten, so sehe ich mich nicht mehr in der Lage, ihr zu dieser Politik noch weiterhin Unterstützung angedeihen zu lassen.“


[Berckheim]




[1] A22076 bzw. A22075.


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