1918-08-15-DE-001-V

DuA Dok. 424 (re.gk.)
Der Leiter der deutschen Delegation im Kaukasus (Kreß von Kressenstein) an das Auswärtige Amt

Nr. 36


Tiflis, den 4. August 1918

Auch für O.H.L. (14..., Ausw. Amt (38), Minister des Äußern, Wien.

Sind soeben von Eriwan zurückgekehrt, wo Augenschein und eingehende Besprechung mit Regierung und Katholikos unsere Auf-fassung bestätigt und bestärkt haben, daß Armenien nur durch baldige Hilfe der Mittelmächte vom Untergang erretten werden kann. Das jetzige kleine Armenien kann nicht einmal die seßhafte Bevölkerung ernähren, geschweige denn drei bis fünfhunderttausend Flüchtlinge, die sich zur Zeit in Armenien befinden und die Herstellung der Ruhe unmöglich machen. Die schwierige Lage der Flüchtlinge führt dauernd, entgegen dem Willen der Regierung zu neuen Bandenbildungen und somit zu neuen Verwickelungen mit den Türken. Diese abschließen Armenien ringsum hermetisch und verhindern jeden Handel und Verkehr, veranlassen ungarische Gemeint ”tatarische”. und persische Bevölkerung zur Abwanderung, was armenische Regierung Angriff auf Eriwan befürchten läßt. Auch hier haben die Türken Bedingungen Batumer Frieden nicht eingehalten, sondern halten wichtige Gebiete jenseits Batumer Grenze besetzt. Armenien ist nur mit Grenzen von Brest ohne von Türken angestrebte Grenzberichtigungen lebensfähig. Diese würden gerade die wirtschaftlich wichtigsten Distrikte an Türkei bringen. Produktionsfähige Gebiete sind zur Zeit fast sämtlich von Türken besetz und werden von ihnen planmäßig ausgeraubt. Insbesondere ausführen sie trotz des Vertrags große Baumwollvorräte. Ernte ist zum Teil von Türken eingebracht, größtenteils geht sie zugrunde. Eisenbahn bis Nachitschewan muß unbedingt armenisch werden. Türken wäre Anspruch auf Truppen-transport wie in Georgiern einzuräumen. Bahn befindet sich in leidlich gutem Zustande. Armenier in Abrede stellen ebenso bestimmt wie ich, daß es zwischen beiden Staaten zu obigem kommt, wenn sich Türken auf Batumer Grenze zurück-gezogen. Gegenteilige Behauptung Envers nur Vorwand, um Zeit zu Beendigung völliger Zerstörung und Ausbeutung des vertragswidrig besetzten Landes zu gewinnen. Neuerdings wollen Türken von Aserbeidschan aus in rein armenische Provinz Karabasch einrücken und entwaffnen. Wenn sie nicht durch uns daran verhindert werden, sind neue Kämpfe der wehrhaften Bergbewohner gegen Muhamedaner unvermeidlich.

Sofortige Benachrichtigung dringend erbeten, ob die armenische Regierungsmeldung richtig, daß Armenien austro-ungarische Interessensphäre mit austro-ungarischem Schutzvertrag werden sollte. Armenier würden diese Lösungen annehmen.

Empfang in Eriwan war warm und herzlich. Bericht und Schreiben des Katholikos an Kaiser Wilhelm und Kaiser Karl in denen er Majestäten als christliche Herrscher um Schutz bittet, folgen mit nächster Post.


[Kreß]



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