1915-08-12-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon/170
Botschaftsjournal: A53a/1915/4814
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: J. No. 699
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Konsul in Adana (Büge) an den Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Hohenlohe-Langenburg)

Bericht



J. No. 699
Adana, den 12. August 1915

Euerer Durchlaucht beehre ich mich im Anschluss an meine telegraphische Meldung vom 2. d.Mts. No. 11, gehorsamst zu berichten, dass der mit der Niederwerfung des Armenieraufstandes in der Gegend von Marasch1 beauftragte Wali von Adana nach Erledigung seiner Mission hierher zurückgekehrt ist. Als Ergebnis der Zusammenstösse hat er an Dschemal Pascha gemeldet, dass gegenüber einem Verlust von 46 Mann auf türkischer Seite – bei einer Truppenstärke von zwei Bataillonen – von Armeniern 464 gefallen und 200 gefangen genommen seien.

Das Schicksal der Gefangenen steht natürlich von vornherein fest; von Verwundeten verlautet nichts, sodass die Annahme einer nachträglichen Abschlachtung mindestens sehr nahe liegt.

Zweifellos kam der Regierung der Anlass zu dieser Strafexpedition ausserordentlich erwünscht; dass Hakki bey zu ihrem Führer ausersehen wurde, erklärte, wie ich erfahre, ein türkischer Offizier aus den besonders für derartige Geschäfte „brauchbaren“ Eigenschaften des Wali.

Im Gegensatz zu den Vorgängen im Wilajet Aleppo und namentlich in Siwas, über welche mir eine Berichterstattung nicht zusteht, sind innerhalb des diesseitigen Bezirks Fälle von Gewalttätigkeit, Schändung und ähnlichen Aeusserungen nationaler Aufwallung bisher nicht bekannt geworden. Es handelt sich aber hierbei nicht etwa um besondere Menschenfreundlichkeit, sondern nur um eine Aufsparung der Angriffe auf Leib und Leben für einen geeigneteren Platz im Innern. Vereinzelt auch hier, z.B. in Osmanie, vorgekommene Verkäufe armenischer Kinder sind später rückgängig gemacht worden.

Man hat den Eindruck, dass es der Behörde besonderes Vergnügen bereitet, die principiell dem Untergang bestimmte armenische Nation durch beinahe täglich erlassene sich direkt widersprechende Anordnungen bezüglich des Abtransports vollkommen kopflos zu machen. Zahlreiche Familien sind nach Adana gebracht worden und warten hier in Unruhe auf ihr weiteres Schicksal. Ganze Heerden Armenier lagern ohne Schutz vor Sonnenbrand und Staub auf den Feldern an den Stationen der Bagdadbahn, namentlich in Osmanie.

Die von den Behörden für die Beförderung der Leute getroffenen Massregeln bringen weit mehr eine Erschwerung der Lage derselben als eine Erleichterung der Mühsal der Reise, indem die gemieteten Kutscher und Kameltreiber zwar die ihnen zugewiesenen Leuten abtransportieren, nach kurzer Strecke diese aber auf freier Wüste wieder unter dem Vorwand absetzen, von der Regierung nicht bezahlt zu sein.

Viele vermuten auch hierin die Absicht der Regierung, das armenische Volk verelenden zu lassen. Der Wunsch, alles Armenische auszurotten, ist jedenfalls einer Regierung zuzutrauen, welche für das Vorhandensein dieser Gesinnung vor 6 Jahren so blutigen Beweis geliefert hat.


Büge



1Sehr wahrscheinlich Fundadjak.



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