1915-05-05-DE-011
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon/168
Botschaftsjournal: A53a/1915/3010
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Leiter des Waisenhauses in Mamuret-ul-Aziz (Johannes Ehmann) an den Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim)

Schreiben




Mamuret-ul-Aziz, den 5. Mai 1915

Ew. Exzellenz!

Da in diesem Vilajet kein deutscher Konsul ist, ersuche ich Ew. Excellenz um Entschuldigung, wenn ich mir erlaube, über die hiesigen innerpolitischen Verhältnisse kurz zu berichten.

Seit einigen Tagen werden in den christlichen Häusern der Stadt und Umgegend strenge Haussuchungen gehalten, der Regierung verdächtig erscheinende Personen verhaftet und die Leute zur Ablieferung ihrer Waffen aufgefordert.

Diese durchaus gerechtfertigten Massnahmen der Regierung scheinen im Zusammenhang mit Vorgängen in Wan und Diarbekir zu stehen und auf Anweisung der Zentralregierung angeordnet worden zu sein. Die gesamte christliche Bevölkerung ist dadurch in grosse Unruhe versetzt worden und befürchtet das schlimmste.

Durch meinen 18jährigen Aufenthalt an diesem Ort die Verhältnisse genau kennend möchte ich die Aufmerksamkeit Ew. Excellenz auf die Tatsache lenken, dass wenn auch die hiesige Bevölkerung zum Teil sich in Privatgesprächen manchmal unzufrieden über die türkische Regierung geäussert hat, und wenn auch törichterweise die Sympathien mancher Christen in diesem Krieg leider auf Seiten des Dreiverbands waren, trotz alledem weitaus die Mehrzahl der Bevölkerung dieses Vilajets der Regierung gehorsam ist und die Christen hier im entferntesten nicht daran denken, sich gegen die Regierung aufzulehnen.

Die christliche Mannschaft von 20-45 Jahren hat sich ohne Schwierigkeiten zum Heeresdienst gestellt, und bei Requirierungen von Lebensmitteln wie auch bei der Unterstützung des "Roten Halbmonds" kam die christliche Bevölkerung soweit als möglich der Regierung entgegen, so dass ich es für meine Pflicht halte, für die Christen hier um Gnade und Schonung zu bitten.

Sollten sich aber vereinzelte Personen finden, die gegen die Regierung arbeiten, müsste es der letzteren gelingen, dieselben ausfindig zu machen, um sie einer gerechten Bestrafung entgegenzuführen.

Der wohlgesonnene Generalgouverneur, mit dem ich eben in freundschaftlicher Weise über die Angelegenheit sprach, hofft, dass es hier zu keinen ernsten Ereignissen kommen wird und versichert mich, dass er alles tun wird, um die Angelegenheit in friedlicher Weise zu ordnen. Er ist ebenfalls von dem friedliebenden und regierungstreuen Charakter der hiesigen christlichen Bevölkerung überzeugt. Doch besteht die Gefahr, dass starke armenierfeindliche Elemente die Oberhand bekommen und zum schlimmsten schreiten, so dass ich Ew. Excellenz im Interesse der Menschlichkeit ersuche, die nötigen Schritte zur Aufklärung der türkischen Zentralregierung über die hiesigen Verhältnisse tun zu wollen.

Verehrungsvollst


Johannes Ehmann


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