Anlage
Sehr geehrter Herr Pastor!
Nach 31jähriger anstrengender Tätigkeit im Waisenhaus fühle ich sehr die Notwendigkeit einer gründlichen Pflege meiner Gesundheit, in meiner Heimat u. im Kreise meiner Verwandten. Deshalb reichte ich, vor drei Wochen, eine Bittschrift an die Regierung und ersuchte um einen Paß, damit ich mit meiner Tochter u. zwei Knaben in meine Heimat zurückkehre, um meiner Gesundheit die Pflege u. den Kindern Schule oder passende Stellungen zu finden.
Nach gründlichen Verhandlungen während der drei Wochen wurde ich von den Behörden gerufen und erhielt die Antwort meiner Bittschrift. Daraus sehe ich, daß nur durch die Genehmigung S.E. Enver Pascha ich einen Paß bekommen kann. So muß ich Ihre gütige Vermittlung in Anspruch nehmen, diese Genehmigung für uns gefälligst holen zu lassen u. dieselbe, schriftlich oder telegraphisch, durch das k.k. Österreichisch-Ungarische Konsulat, hier, mir zusenden zu wollen. Alle Ausgaben werde ich begleichen, wenn ich die Ehre haben werde, Ihnen persönlich zu danken für diese große Hilfe, die Sie mir erweisen.
[Lüttichau an Botschaft 10.2.]
Unter Bezugnahme auf meinen Brief vom 19. Januar beehre ich mich ergebenst anzufragen, ob es möglich ist, der Frau Marie Baghdasarian, geborene Mayer, in Brussa zu einem Pass zu verhalfen. Soeben ist ein Freund ihres Hauses bei mir gewesen, der mir mündlich die dringende Bitte wiederholt und mitteilt, sie dürfe nicht einmal Brussa verlassen und werde wie alle Armenier in Brussa von den Türken sehr hart behandelt. Sie ersehnt deshalb den Tag ihrer Abreise, bedarf dazu aber einer besonderen Fürsprache. Da die Frau Reichsdeutsche war und mir persönlich sehr gut bekannt ist. möchte ich erneut für sie eintreten.
Das Gesuch der Frau Marie Baghdasarian ist diesseits durch Vermittlung des Auswärtigen Ministeriums dem Ministerium des Innern übermittelt und daraufhin von letzterer Behörde unter dem 16. Februar alten Stils das Vilayet Brussa zum Bericht aufgefordert worden, eine Antwort jedoch bis jetzt nicht eingegangen. Vielleicht teilen Ew. pp. dies der Gesuchstellerin mit, damit sie evtl. ihrerseits der Sache in Brussa direkt nachgeht. Die Sache wird hier im Auge behalten.
[Lüttichau an Mordtmann 25.3.]
Sehr verehrter Herr Generalkonsul!
Gestern Abend spät erschien Frau Baghdasarian aus Brussa mit ihren drei Kindern. Es ist also inzwischen durch Ihre gütigen Bemühungen eine Erlaubnis erfolgt. Allerdings steht sie nun vor neuen Schwierigkeiten. Soweit ich die Lage übersehe - ich kenne ja die Vorgänge nicht -, hat sie bisher nur eine Erlaubnis hierher [Konstantinopel] zu kommen erhalten, noch nicht aber eine Erlaubnis nach Deutschland weiter zu reisen. Wie sie erzählt, ist das an einem Missverständnis gescheitert. Die Polizeibehörde in Brussa hatte ihr nämlich bereits einen Pass ausgestellt für sie und ihre Kinder, entdeckte aber vor den entscheidenden Unterschriften noch, dass angeblich in dem aus Konstantinopel gekommenen Schreiben Frau Baghdasarian als deutsche Staatsangehörige bezeichnet worden sei. In diesem Umstand erblickte man neue Schwierigkeiten und lieferte ihr den Pass nicht aus mit der Begründung, es müssten erst neue Weisungen erbeten werden. Der bis auf die Unterschriften fertige Pass ist also in Brussa verblieben. Die Reisenden sind aber trotzdem abgereist, da ihr Vesika ihnen die Reise nach Konstantinopel erlaubte. Ich weiss nicht, ob es richtig gewesen ist, dass sie abreisten, ohne den Pass zu besitzen, und weiss noch viel weniger, ob nach den Vorgängen eine weitere Fürsprache für die Familie möglich ist. Ich wäre Ihnen herzlich dankbar, wenn Sie mir kurz ihren Rat erteilten wollten.