1913-12-03-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 14082
Zentraljournal: 1913-A-24252
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Praesentatsdatum: 12/07/1913 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 351
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Pera, den 3. Dezember 1913

Der Grossvezier hatte mich kürzlich gebeten, ihm als seinem persönlichen Freunde einen Rat zu erteilen, wie er aus dem schwierigen Dilemma, in welchem er sich in der Armenierfrage gegenüber seiner Partei und den Mächten befinde, herauskommen könne, ohne sich etwas zu vergeben. Ich hatte dem Grossvezier darauf als meine ganz persönliche Ansicht Folgendes ausgeführt: Der Pforte sei seinerzeit von den Mächten aktive Unterstützung bei der Konsolidierung der kleinasiatischen Verhältnisse nach Friedensschluss versprochen worden. Andererseits habe die Pforte bereits weitgehende Reformpläne ausgearbeitet und teilweise zu Gesetzen erhoben, nach welchen fremde Instrukteure zur Unterstützung der türkischen Stellen bei dem Reorganisationswerke berufen werden sollten. Es wäre daher ganz natürlich und könne die türkische Eigenliebe in keiner Weise verletzen, wenn die Pforte sich nunmehr gleichzeitig an sämtliche Kabinette mit der Bitte wende, die Mächte möchten ihre gegebene Zusage nunmehr erfüllen und der Pforte für jeden der armenischen Sektoren je eine oder mehrere Persönlichkeiten bezeichnen, welche nach Ansicht der Regierungen geeignet seien, den türkischen Generalinspekteuren als Berater zur Seite zu stehen. In dem Schreiben an die Kabinette möge die Pforte dann im einzelnen die Rechte aufführen, welche den Generalinspektoren und den Beratern zustehen sollten. Bei der Privilegierung dieser Beamten könne die Pforte leicht bis an die Grenze dessen gehen, was Herr von Giers und ich verlangten. Denn sie handle ja aus eigener Initiative und behalte sich die Anstellung der fremden Berater als türkische Beamte ausdrücklich vor. Die Mächte würden dann vielleicht dem Antrage der Pforte mit der Erklärung entsprechen, dass sie von den Zusicherungen Akt nähmen, welche die Pforte bezüglich der Stellung der Berater gegeben habe.

Wie mir Prinz Said Halim gestern sagte, hat er Herrn von Giers in dem von mir suggerierten Sinne sondiert. Der Botschafter sei sichtlich erfreut gewesen und habe die Anregung als ein Entgegenkommen der Türkei aufgefasst, jedoch darauf bestanden, dass bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Generalinspekteur und Berater der Grossvezier nach Anhörung der Botschafter zu entscheiden habe. Die direkte Intervention der Botschafter könne er - der Grossvezier - nicht akzeptieren. Dagegen wolle er ausdrücklich anerkennen, dass der §61 des Berliner Vertrags den Mächten das Kontrollrecht eingeräumt habe. Bemerkungen, die ihm von den Botschaftern bezüglich des Ganges der Reformen gemacht würden, müsse er Rechnung tragen. Nur hätten sich die Botschafter an ihn zu wenden, nicht aber er sich selbst an die Botschafter.

Herr von Giers hat sich dem englischen und dem oesterreichischen Botschafter gegenüber sehr befriedigt über seine Unterhaltung mit dem Grossvesir geäussert und der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass eine Verständigung sich nunmehr erzielen lassen werde. Mit mir hat Herr von Giers noch nicht gesprochen. Er boudiert noch wegen der Armeereform.


Wangenheim



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