1914-08-06-DE-003
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1914-08-06-DE-003
Quelle: DE/PA-AA/R 1913
Zentraljournal: 1914-A.S.-1637
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Telegramm-Abgang: 08/06/1914 03:50 PM
Telegramm-Ankunft: 08/07/1914 01:25 AM
Praesentatsdatum: 08/07/1914 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 438
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht



Nr. 438
Therapia, den 6. August 1914

Im Anschluß an Telegramm Nr. 437.

Nach mehrstündigem Ministerrat, bei welchem auch ein Telegramm Mahmud Mukhtar Pascha’s über ein Gespräch mit Seiner Majestät dem Kaiser vorgelesen wurde, ließ mich Großwesir nachts 1 Uhr zu sich bitten. Er teilte mir mit, daß Ministerrat nunmehr einstimmig beschlossen habe, die deutschen und österreichischen Schiffe durchzulassen. Den Krieg würde die Türkei nicht erklären, sondern sich vorläufig auf ihr Recht berufen, Flotten befreundeter Mächte zur Hilfe zu rufen. Großwesir bat mich dann, um ihm die Vertretung seiner Beschlüsse vor Parlament und öffentlicher Meinung zu erleichtern, ihm folgende Zusicherungen zu machen, die sämtlich mit Ausnahme der ad 2 sich nur auf den Fall beziehen, daß Deutschland mit seinem Verbündeten auf der ganzen Linie entscheidend Sieger bleibt:

1) Deutschland verspricht seine Hilfe bei Abschaffung der Kapitulationen,

2) Deutschland sagt seine Unterstützung zu bei den unumgänglich notwendigen Abmachungen mit Rumänien und Bulgarien und sorgt dafür, daß die Türkei bei dem Accord über die etwaige Beute mit Bulgarien nicht zu kurz kommt,

3) Deutschland wird nicht Frieden schließen, ohne daß die von seinen Gegnern während des Krieges etwa besetzten türkischen Gebietsteile wieder geräumt werden,

4) Falls Griechenland in Krieg eingreift und von der Türkei geschlagen wird, tritt Deutschland dafür ein, daß die Inseln zurückgegeben werden,

5) Deutschland verschafft der Türkei eine kleine Grenzberichtigung an der Ostgrenze, die sie in direkten Kontakt mit den Muselmanen in Rußland bringt,

6) Deutschland sorgt dafür, daß die Türkei eine angemessene Kriegsentschädigung erhält.

Da die türkischen Forderungen, die für die Galerie berechnet sind, nur in dem Fall berücksichtigt zu werden brauchen, wenn wir mit absoluter Beherrschung europäischer Lage siegreich aus dem Kampf hervorgehen, so habe ich dem Großwesir Erfüllung seiner Wünsche zugesagt. Bei langwierigen Diskussionen könnte der entscheidende Moment verpaßt werden.

Enver, durch dessen energisches Auftreten der kühne Entschluß dem Ministerrat abgerungen ist, bat mich zu veranlassen, daß deutsch-österreichische Flotte [Anmerkung Wilhelm II: existirt nicht mehr, durch seine Weigerungen vor einigen Tagen uns durchzulassen!] womöglich ganz früh die Dardanellen passiere, tagsüber im Marmara Meer bleibe und nachts durch den Bosporus gehe.

An der russischen Grenze nehmen die türkischen Truppen eine bedrohliche Haltung an. Teile derselben sollen die Grenze überschreiten. Die Revolutionierung Mohammedaner im Kaukasus ist im Gange.


[Wangenheim]



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved