1913-09-21-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 14081
Zentraljournal: 1913-A-19358
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Praesentatsdatum: 09/26/1913 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 279
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht


Therapia, den 21. September 1913

1 Anlage

Über die Unterredung des zweiten Botschaftsdragomans Schönberg mit dem Abgeordneten Zohrab, einem der einflußreichsten Führer der hiesigen Armenier, hatte ich die Ehre Euerer Exzellenz bereits anderweitig zu berichten. Im Anschluß daran hat Zohrab selbst die Hauptpunkte seiner Darlegungen schriftlich, wie folgt, formuliert:

1. Die armenischen Forderungen sind bereits in der letzten, an die Kaiserlich Deutsche Botschaft in vertraulicher Weise übermittelten Notiz formuliert. Die darin angeführten Punkte sind und bleiben unerläßlich.

2. Die Zustimmung der Mächte für die Ernennung des beziehungsweise der höchsten ausländischen Beamten, die mit der Durchführung der Reformen betraut werden sollen, ist eine conditio sine qua non. Die Armenier werden niemals darauf verzichten können. Wenn, wie ich glaube, die Diplomatie, ohne an der Sache selbst etwas zu ändern, eine die Eigenliebe der Türken schonende Formel findet, so werden die Armenier dagegen nichts einzuwenden haben.

3. Sind einmal die genannten Forderungen der Armenier angenommen, so werden, wie ich glaube, diese gern bereit sein, die Frage der türkischen Sektoren- und Vilajetseinteilung bis auf weiteres als Basis der gegenseitigen Verständigung anzuerkennen, allerdings unter der ausdrücklichen Bedingung, daß die Machtbefugnisse des bezw. der Generalinspektoren nicht allein auf die Absetzung, sondern auch auf die Ernennung der Valis sich erstrecken müßten.

4. Die Gleichheit der Sitze in den Vertretungskörpern und der Stellen in den öffentlichen Ämtern ist auch deutscherseits bereits als notwendig anerkannt worden.

5. Die Armenier werden niemals zugeben, daß die armenischen Reformen mit den allgemeinen, für das ganze Reich geltenden Reformen identifiziert werden.

Die in Punkt 1 erwähnte Notiz, die in der Anlage abschriftlich beigefügt ist, war einige Tage vorher auf der Kaiserlichen Botschaft vom locum tenens des hiesigen armenischen Patriarchats abgegeben worden und ist dem Vernehmen nach auch den anderen interessierten Botschaften zugegangen. Zohrab erklärte zwar der Form halber, um sich nicht in Widerspruch mit der amtlich geäusserten Auffassung seines Patriarchats zu setzen, die Annahme der von Letzterem aufgestellten 5 Punkte für unerläßlich, fügte jedoch privatim hinzu, daß sich, wenn erst einmal die Reformen wirklich in Angriff genommen würden, über diese oder jene Änderung in den 5 Hauptforderungen würde reden lassen. Insbesondere legte er keinen großen Wert auf den fünften Punkt, die europäische Kontrolle, von deren Wirksamkeit er sich nicht viel verspricht. Auch gab er zu, daß die Forderung einer einzigen armenischen Provinz sich nicht werde verwirklichen lassen, und erklärte, in diesem Falle sei es den Armeniern ziemlich gleichgültig, ob man sich für die von Rußland erstrebte Schaffung eines westlichen und eines östlichen Sektors oder für die von der Pforte verkündete Einteilung in einen nördlichen und einen südlichen Sektor entscheide.

Dagegen legten die Armenier das allergrößte Gewicht auf die in Punkt 2 und 3 der Notiz des Patriarchats zum Ausdruck gebrachten Wünschen bezüglich der Ernennung und der Zuständigkeit der Generalinspektoren. Die Zustimmung der Mächte zur Ernennung werde von den Armeniern geradezu als conditio sine qua non angesehen, da im anderen Falle weder die Unabhängigkeit der Generalinspektoren von reformfeindlichen türkischen Einflüssen genügend gesichert, noch eine Garantie für die Auswahl wirklich geeigneter Persönlichkeiten gegeben sei. Ich bin der Ansicht, daß die Mächte in dieser Frage den Armeniern entgegenkommen müssen. Die Verwirklichung der Forderungen hängt im Grunde ab von der Formel, die für das Zustimmungsrecht der Mächte gefunden wird und die natürlich so beschaffen sein muß, daß sie von der türkischen Regierung vor der öffentlichen Meinung des Landes vertreten werden kann. Auch über diesen Punkt habe ich inzwischen Euerer Exzellenz anderweitig zu berichten die Ehre gehabt.

Voraussichtlich die größten Schwierigkeiten wird es machen, die Pforte dazu zu bestimmen, den Generalinspektoren das Ernennungsrecht für alle Richter und Beamten einschließlich des Valis einzuräumen. Doch möchte ich es nicht für ganz ausgeschlossen halten, daß es auch hier schließlich gelingen wird, eine die Eigenliebe der Pforte schonende und die Souveränität des Sultans nicht antastende Formel zu finden. Der von Euerer Exzellenz angeregte Modus, wonach die Pforte die höheren Beamten nach Anhörung, die mittleren auf Vorschlag des Generalinspekteurs ernennt, während die Unterbeamten von Letzteren ernannt werden, scheint mir deshalb schwer durchführbar zu sein, weil die türkische Beamtenhierarchie keine scharfe Grenze zwischen höheren, mittleren und Unterbeamten kennt. Ich werde über diesen Punkt teils mit meinem russischen Kollegen teils mit der Pforte noch weiter beraten und, falls sich dabei eine für die Türkei annehmbare Formel ergibt, nicht verfehlen, Euerer Exzellenz zu berichten.

Punkt 4 der Zohrab´schen Mitteilung und der Notiz des Patriarchats ist von uns bereits zugestanden worden.

Punkt 5 der Zohrab´schen Mitteilung, wonach die Reformen in Armenien von denjenigen in anderen Gebieten der Türkei getrennt zu behandeln sind, gründet sich auf der im Art. 61 des Berliner Vertrages für Armenien festgelegten Sonderstellung und dürfte zu besonderen Einwendungen kaum Anlaß geben.


Wangenheim
Anlage

Abschrift.

Notice très confidentielle.

Le peuple arménien qui a mis son espoir dans la haute intervention des Puissances pour obtenir amélioration de son sort, attend leur décision. Comme il a eu l'honneur de le porter à la connaissance du Gouvernement Impérial d'Allemagne par sa notice confidentielle du 4/17 juillet, il demeure convaincu:

1. Qu'il est absolument nécessaire qu'une seule pensée et une seule main dirigent l'administration des six vilayets, d'où la conséquence logique de les réunir et de les placer sous les ordres d'un seul Gouverneur-Général;

2. Que ce Gouverneur-Général doit être un Européen et inspirer confiance aux Puissances, d'où la nécessité absolue de leur assentiment pour sa nomination;.

3. Que son action, pour pouvoir être efficace, ne doit pas dépendre de la S. Porte; qu'il doit par conséquent, être muni de pleins pouvoirs et doit avoir le droit de nommer tous les fonctionnaires et juges;

4. Que l'égalité en nombre dans la représentation et dans les fonctions publiques des musulmans et des non-musulmans est essentielle;

5. Que la nouvelle administration doit être placée sous un contrôle européen bien organisé.

Telles sont les conditions indispensables pour créer un ordre de choses durable en Arménie. Il suffit que les Puissances le désirent sincèrement pour qu'il soit établi pour le bonheur de la population arménienne et des populations musulmanes de cette région.

Le peuple arménien ne cessera d'exprimer sa profonde reconnaissance de Sa M. l'Empereur d'Allemagne et de Son Gouvernement pour l'intérêt qu'ils ont bien voulu lui témoigner dans ces moments historiques et qui, il en a le ferme espoir, ne lui fera pas défaut désormais, jusqu'à la solution complète de la question arménienne et après.

Il croit aussi accomplir un devoir en ajoutant que l'état d'incertitude et d'angoisse extrême dans lequel se trouve le peuple arménien depuis plus de six mois ne saurait être prolongé outre mesure sans danger pour le calme des esprits et sans amener un découragement.

23/5 Septembre 1913.



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