1915-09-26-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. D. 1, ”Tyrkiet - Indre Forhold”. Pakke 1, til 31 Dec. 1916
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 09/26/1915
Telegramm-Ankunft: 10/11/1915
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 129
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 129

Konstantinopel, 26. September 1915.

Vertraulich.

Herr Außenminister,

In meinen Berichten Nr. LXX [70] und Nr. LXXXIII [83] vom 3. Juli und 26. Juli d.J. habe ich den Konflikt erwähnt, der zwischen der Hohen Pforte und dem Heiligen Stuhl herrscht.

Nach der Versendung meines letztgenannten Berichts ist es dem spanischen Gesandten [Marquis Julian del Arroyo] gelungen, eine Treuga Dei ["Waffenstillstand"] zu erwirken. Beide Seiten ließen die Angelegenheit längere Zeit liegen.

Die fremden feindlichen Maßnahmen, die die hiesige Regierung ständig trifft, stehen im Konflikt mit den Interessen des Heiligen Stuhls in der Türkei, und die Position des apostolischen Delegaten [Angelo Maria Dolci] hier wird immer schwieriger.

Die Ordenspersonen aller Nationen - kriegführende und neutrale -, die in den hiesigen Klöstern, Hospizen, Krankenhäusern u.s.w. leben, sind nämlich jetzt ausgewiesen worden und müssen das Land bis nächsten Mittwoch verlassen haben.

Es ist der Befehl ergangen, dass die von ihnen verlassenen Tätigkeiten und Stellungen von Türken übernommen werden sollen, um einen Stillstand zu vermeiden, und es ist dem päpstlichen Delegaten nur mit großen Schwierigkeiten gelungen, die Erlaubnis zu erhalten, dass in jeder Kirche ein Pfarrer zurückbleibt, um den aller notwendigsten Dienst zu verrichten.

Gleichzeitig haben die Behörden die hiesigen Klöster, Hospize, Krankenhäuser usw. in Besitz genommen und die alten Menschen, deren sich die Nonnen angenommen hatten, in eine türkische Anstalt für Geisteskranke gebracht, wo sie nun wirr durcheinander liegen, je zwei in einem Bett.

Diese Maßnahmen sind zum Teil dem Mangel an Gebäuden zuzuschreiben, die für die große Anzahl Verletzter, die täglich von den Dardanellen hier ankommen, in Krankenhäuser umgewandelt werden müssten. Aber sie sind zuallererst als neuer Ausdruck des Regierungswillens anzusehen, die Türkei von Fremden zu säubern, entweder indem man diese ausweist, oder wenn das nicht möglich ist, ihnen hier den Aufenthalt so unangenehm macht, sodass sie es vorziehen, freiwillig das Land zu verlassen.

Gegen die hiesigen katholischen Kirchengemeinden gehen die Behörden hart vor, und es ist insbesondere bemerkenswert, dass sie in den Kirchen die Sakramente nicht mehr respektieren, um deren Bedeutung sie sicher wissen.

In verschiedenen Kirchen, derer sich die Behörden „manu militare“ bemächtigt haben, haben die Soldaten alles Wertvolle fortgeschafft und auf gröbste Art Kruzifixe, Bilder, den heiligen Abendmahlskelch, Gegenstände des Abendmahls und das heilige Öl entweiht, das sie auf unreine Plätze schütteten.

Der apostolische Delegat schickte der Hohen Pforte in dieser Sache eine energische Note, in der er Zugang zu den Orten verlangte, an dem die der Kirche gehörenden Gegenstände weggeworfen worden waren, und als er keine Antwort erhielt, bat er den spanischen Gesandten um Hilfe, dem es gelang, im Außenministerium die gewünschte Erlaubnis zu erhalten, die aber wenig nutzte, da sie von den Militärbehörden nicht respektiert wurde, die den Pfarrern den Zugang zu den Kirchen verweigerten.

Die an den Eingängen der Kirchen aufgestellten Schildwachen und deren Offizieren sagten, sie hätten Order, niemanden hinein zu lassen, und dass der Befehl des Außenministeriums sie nichts angehe.

Wenn die Kanonen sprechen, muss die Diplomatie schweigen.

Bei anderen beschlagnahmten Kirchen, die nicht vom Militär besetzt sind, haben die Pfarrer sich an den Polizeipräfekten in Konstantinopel, Bedri Bey, gewandt, und um Erlaubnis ersucht, die Hostien holen zu dürfen. Aber ich erfahre, dass der Präfekt auf die für seine Bildung und sein Denken typische Art antwortete, dass er die Genehmigung für die Entwendung von Brot jeder Art aus den Kirchen nicht geben könne, da es an Korn fehle und weil der Brotmangel zunehme.

„Zu aller erst sollen die Soldaten das bekommen, was sie brauchen“, sagte er.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich Ihr ergebenster


Wandel



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