1915-07-07-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14086
Zentraljournal: 1915-A-21257
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 07/12/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 433
Zustand: A
Letzte Änderung: 04/22/2012


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



No. 433

Pera, den 7. Juli 1915

1 Anlage

Die Austreibung und Umsiedelung der armenischen Bevölkerung beschränkte sich bis vor etwa 14 Tagen auf die dem östlichen Kriegsschauplatze benachbarten Provinzen und auf einige Bezirke der Provinz Adana; seitdem hat die Pforte beschlossen, diese Maßregel auch auf die Provinzen Trapezunt, Mamuret-ul-Aziz und Siwas auszudehnen, und mit der Ausführung begonnen, obwohl diese Landesteile vorläufig von keiner feindlichen Invasion bedroht sind.

Dieser Umstand und die Art, wie die Umsiedelung durchgeführt wird, zeigen, daß die Regierung tatsächlich den Zweck verfolgt, die armenische Rasse im türkischen Reiche zu vernichten.

In dieser Beziehung darf ich meinen früheren Berichten noch Folgendes hinzufügen:

Am 26. Juni wurden, wie der Kaiserliche Konsul in Trapezunt meldet, die dortigen Armenier angewiesen, binnen fünf Tagen abzureisen; ihr Hab und Gut sollte unter der Obhut der Behörden zurückbleiben. Nur Kranke waren ausgenommen; hinterher wurde noch eine Ausnahme für Witwen, Waisen, Greise und Kinder unter fünf Jahren, ferner für Kranke und für die katholischen Armenier zugelassen. Nach neuerer Meldung sind aber die meisten Ausnahmen wieder aufgehoben, und es bleiben nur Kinder und Transportunfähige zurück, welch' Letztere in Hospitäler gebracht werden.

Im Ganzen werden allein im Vilajet Trapezunt rund 30000 Personen betroffen, die über Erzindschan nach Mesopotamien abgeschoben werden sollen. Ein solcher Massentransport nach einem viele hunderte Kilometer entfernten Bestimmungsorte, ohne genügende Transportmittel, durch Gegenden, die weder Unterkunft noch Nahrung bieten und von epidemischen Krankheiten, namentlich vom Flecktyphus, verseucht sind, dürfte besonders unter Frauen und Kindern zahlreiche Opfer fordern. Außerdem führt der Weg der Umgesiedelten durch die kurdischen Distrikte von Dersim, und der Vali von Trapezunt erklärte offen dem Konsul, der ihm auf diesseitige Weisung hin darüber Vorstellungen machte, daß er nur bis Erzindschan für die Sicherheit des Transportes garantieren könnte. Von da ab läßt man die Auswanderer durch die Banden der Kurden und anderer Wegelagerer förmlich Spießruten laufen. So sind zum Beispiel die aus der Ebene von Erzerum ausgetriebenen Armenier auf dem Wege nach Charput angefallen worden, wobei die Männer und Kinder niedergemacht und die Frauen geraubt wurden. Der Kaiserliche Konsul in Erzerum gibt die Zahl der bei dieser Gelegenheit umgekommenen Armenier auf 3000 an.

In Trapezunt sind die Armenier massenhaft zum Islam übergetreten, um sich der drohenden Deportation zu entziehen und Leben wie Hab und Gut zu retten.

Abgesehen von dem materiellen Schaden, der dem türkischen Staate durch die Depossedierung und Vernichtung eines arbeitsamen und intelligenten Bevölkerungselementes erwächst - für das die an seine Stelle tretenden Kurden und Türken vorläufig keinen nennenswerten Ersatz bieten,- werden auch unsere Handelsinteressen und die Interessen der in jenen Landesteilen bestehenden deutschen Wohltätigkeitsanstalten empfindlich geschädigt.

Ferner verkennt die Pforte die Wirkung, welche diese und andere Gewaltmaßregeln wie z.B. die Massenhinrichtungen hier und im Innern auf die öffentliche Meinung des Auslandes ausüben, und die weiteren Folgen für die Behandlung der armenischen Frage bei den zukünftigen Friedensverhandlungen.

Um eventuellen späteren Invektiven unserer Feinde, als seien wir mitschuldig an dem rigorosen türkischen Vorgehen, wirksam entgegentreten zu können, habe ich es daher für geboten erachtet, die Pforte darauf aufmerksam zu machen, daß wir die Deportation der armenischen Bevölkerung nur insofern billigen, als sie durch militärische Rücksichten geboten ist und zur Sicherung gegen Aufstände dient, daß aber bei Ausführung dieser Maßregel die Deportierten vor Plünderung und Metzeleien zu schützen seien. Um diesen Vorstellungen den nötigen Nachdruck zu geben, habe ich sie schriftlich in Form eines Memorandums zusammengefaßt, das ich am 4. d.M. dem Großwesir persönlich überreicht habe; Abschriften dieses Memorandums habe ich nachträglich den Ministerien des Äußern und des Innern übergeben lassen.


Wangenheim

Anlage


Abschrift

Memorandum.

der Deutschen Botschaft in Pera, am 4./7. 15 dem Großwesir überreicht.1

Les mesures de répression décrétées par le Gouvernement Impérial contre la population arménienne des provinces de l'Anatolie Orientale ayant été dictées par des raisons militaires et constituant un moyen de défense légitime, le Gouvernement Allemand est loin de s'opposer à leur mise en exécution, tant que ces mesures ont le but de fortifier la situation intérieure de la Turquie et de la mettre à l'abri de tentatives d'insurrections.

A ce sujet, les vues du Gouvernement Allemand s'accordent tout à fait avec les explications données par la Sublime Porte en réponse aux menaces que les puissances de l'entente lui avaient adressées dernièrement à la suite des prétendues atrocités commises sur les Armeniens en Turquie.

De l'autre coté, le Gouvernement Allemand ne peut pas se dissimuler les dangers crées par ces mesures de rigueur et notamment par les expatriations en masse qui comprennent indistinctement les coupables et les innocents, surtout quand ces mesures sont accompagnées d'actes de violence, tels que massacres et pillages.

Malheureusement, d'après les informations parvenues à l'Ambassade, les autorités locales n'ont pas été en état d'empêcher des incidents de ce genre, qui sont regrettables sous tous les rapports.

Les puissances ennemies en profiteront pour fomenter l'agitation parmi les Arméniens et les nouvelles qu'on en répandra à l'étranger, ne manqueront pas de causer une vive émotion dans les pays neutres, surtout dans les Etats-Unis d'Amérique, dont les représentants ont depuis quelque temps commencé à s'intéresser au sort des Arméniens en Turquie.

Le Gouvernement Allemand croit de son devoir, comme puissance amie et alliée de la Turquie, d'attirer l'attention de la Sublime Porte sur les conséquences qui en pourraient résulter au détriment de leurs intérêts communs tant pendant la guerre actuelle qu'à l'avenir; il est à prévoir que lors de la conclusion de la paix la question arménienne servira de nouveau de prétexte aux puissances étrangères pour s'ingérer dans les affaires internes de la Turquie.

L'Ambassade pense qu'il serait d'urgence de donner des ordres péremptoires aux autorités provinciales afin qu'elles prennent des mesures efficaces pour sauvegarder la vie et la propriété des Armeniens expatriés, aussi bien pendant leur transport que dans leurs nouveaux domiciles;

elle pense également qu'il serait prudent de surseoir, pour le moment, à l'exécution des arrêts de mort déjà rendus ou à rendre contre des Arméniens par les cours martiales de la capitale ou dans les provinces, surtout à Diarbékir et à Adana;

enfin l'Ambassade d'Allemagne prie le Gouvernement Ottoman de prendre en considération les nombreux intérêts du commerce allemand et des établissements de bienfaisance allemands dans les provinces ou on procède actuellement à l'expulsion des Arméniens. Le départ précipité de ces derniers portant un grave préjudice a ces intérêts, l'Ambassade verrait avec reconnaissance, si la Sublime Porte voulait bien, dans certains cas, prolonger les délais de départ accordés aux expulsés et permettre à ceux qui font partie du personnel des établissements de bienfaisance en question, ainsi qu'aux élèves, orphélins et autres personnes qui y sont entretenus, de continuer à habiter dans leurs anciens domiciles sauf, bien entendu, le cas où ils auraient été reconnus coupables d'actes qui nécessiteraient leur éloignement.


[Eigene Übersetzung]

Da die von der Kaiserlichen [Osmanischen] Regierung verordneten Zwangsmaßnahmen gegen die armenische Bevölkerung der Provinzen Ostanatoliens von militärischen Gründen diktiert waren und eine Form legitimer Verteidigung darstellen, stellt sich die Deutsche Regierung keineswegs ihrer Durchführung entgegen, solange diese Maßnahmen der Stärkung der inneren Situation der Türkei dienen und das Land vor Aufstandsversuchen schützen.

In dieser Hinsicht stimmt der Standpunkt der Deutschen Regierung vollständig mit den von der Hohen Pforte ausgesprochenen Erklärungen überein, die diese als Antwort auf die kürzlich von den Ententemächten an sie gerichteten Drohungen in der Folge der an den Armeniern der Türkei angeblich verübten Greuel gegeben hat.

Auf der anderen Seite verhehlt die Deutsche Regierung nicht, daß Gefahren durch diese Zwangsmaßnahmen und insbesondere die Massenausweisungen zutage treten, denen unterschiedslos Schuldige und Unschuldige unterworfen sind, vor allem wenn diese Maßnahmen von Gewaltakten, wie Massakern und Plünderungen begleitet sind.

Unglücklicherweise waren nach den der Botschaft vorliegenden Informationen die örtlichen Behörden nicht in der Lage, Vorfälle dieser Art, die in jeder Beziehung bedauernswert sind, zu verhindern.

Die gegnerischen Mächte nutzten dies, um die Agitation unter den Armeniern zu schüren und die Nachrichten, die darüber im Ausland kursieren, werden zweifellos eine lebhafte Reaktion in den neutralen Ländern, besonders den Vereinigten Staaten, hervorrufen, deren Repräsentanten seit einiger Zeit begonnen haben, sich um das Schicksal der Armenier in der Türkei zu kümmern.

Die Deutsche Regierung als mit der Türkei befreundete und verbündete Macht glaubt daher es als ihre Pflicht anzusehen, die Aufmerksamkeit der Hohen Pforte auf die Folgen zu lenken, die zum Schaden ihrer gemeinsamen Interessen sowohl während des Krieges als auch in Zukunft entstehen könnten; es ist vorhersehbar, daß beim Friedensschluß die armenische Frage erneut den Vorwand für die fremden Mächte liefern könnte, sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen.

Die Botschaft hält es daher für dringend geboten, den Provinzbehörden Befehle zu geben, damit sie energische Maßnahmen ergreifen, um Leben und Besitz der vertriebenen Armenier zu schützen, sowohl während des Transports als auch in den neuen Wohngebieten.

Die Botschaft glaubt ferner, daß es im derzeitigen Augenblick geboten sei, die Durchführung der von den Kriegsgerichten in der Hauptstadt oder in den Provinzen, besonders in Diarbekir und Adana, gegen Armenier bereits verhängten oder zu verhängenden Todesurteilen aufzuschieben.

Die Deutsche Botschaft bittet die Osmanische Regierung darüber hinaus, die vielfältigen Interessen des deutschen Handels und der deutschen Hilfsorganisationen in den Provinzen, wo derzeit Armenier ausgewiesen werden, in Betracht zu ziehen. Die überstürzte Abreise der letzteren sind seinen Interessen ernsthaft abträglich, weshalb die Botschaft es sehr anerkennen würde, wenn die Hohe Pforte in Einzelfällen die Ausreisefristen der Ausgewiesenen verlängern würde und jenen den Aufenthalt erlauben würde, die dem Personal der Hilfsvereine angehören wie auch den Schülern, Waisen und anderen Personen, die dort unterstützt werden, mit Ausnahme natürlich jener, die sich schuldig gemacht haben und deren Entfernung notwendig ist.


1 Dieser Satz ist handschriftlich von Rosenberg angefügt.



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