1916-05-04-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. D. 1, ”Tyrkiet - Indre Forhold”. Pakke 1, til 31 Dec. 1916
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 05/04/1916
Telegramm-Ankunft: 05/13/1916
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 104
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 104

Konstantinopel, 4. Mai 1916.

Herr Außenminister,

Die Veröffentlichungen des offiziellen türkischen Amtsblattes sind nun endlich so weit fortgeschritten, dass eine Einschätzung der Gesetzgebungsarbeit in der am 13. März diesen Jahres endenden Parlamentsperiode möglich ist.

Am 1. März 1915 wurde die Sitzung des Parlaments auf den 28. September 1915 verschoben und am selben Tag die Arbeit wieder aufgenommen. Da im Winter 1915-16 das Parlament identisch war mit dem vom vorangegangenen Winter, erwartete niemand eine selbstständige Arbeit der Kammern, die völlig abhängig von der Regierung und dem Komitee waren. Nur im Senat gab es von einer einzigen Seite etwas Widerstand (siehe Ges. Bericht Nr. LV [55] vom 10. März 1916 über die Opposition des Ahmed Riza Bey), doch diese Opposition hatte keinen Einfluss auf den Verlauf des Verfahrens. Vielleicht war der Grund, weshalb die Regierung das am 27. September 1915 (also am Tag vor der Parlamentseröffnung) verabschiedete vorläufige Gesetz über die Besitzverhältnisse der deportierten Armenier nicht den Kammern vorlegte, der, daß man Ahmed Riza nicht weiter herausfordern wollte. Auch ohne eine direkte Gelegenheit hatte Ahmed Riza Bey nämlich die Regierung wegen des verschleierten Konfiskationsgesetzes angegriffen, und erfolglos gefordert, dessen Inkrafttreten zu verschieben.

Der bei weitem größte Teil der Arbeit der Kammer bestand darin, vorläufige Gesetze zu genehmigen, die die Regierung zwischen den zwei Parlamentsperioden erlassen hatte, und in nur ganz wenigen Fällen drehte es sich um neue Gesetze.

Unter den wichtigsten Gesetzen, die dem Parlament vorgelegt wurden, war außer dem neuen Zollgesetz, welches ich mehrmals die Ehre hatte zu erwähnen, das Gesetz zur Ordnung des Gesundheitswesens, das ich später zum Gegenstand eines besonderen Berichts machen will. Der Haushalt für das Jahr 1332 (1916-17) wurde, wie in meinem Bericht Nr. XXXI [31] vom 11. Februar diesen Jahres erwähnt, an einem einzigen Tag in der Deputiertenkammer beschlossen, und auch die Verfassungsänderungen (Ges. Nr. L VI [56] vom 12. März diesen Jahres) machten der Regierung keine Schwierigkeiten.

Ebenfalls ohne Diskussion wurden die verschiedenen Gesetze beschlossen, die das bei Kriegsausbruch eingeführte Moratorium weiter verlängerten, dessen Bedeutung im übrigen geringer wird, da es nur Forderungen von vor dem Weltkrieg betrifft, von denen die Schuldner mit Bezug auf die verschiedenen Gesetze bisher 65 Prozent Abschlag zu zahlen hatten.

Von wirtschaftlicher Bedeutung waren auch die verschiedenen Gesetze bezüglich der Anleihen Deutschlands und der entsprechende Schriftwechsel, Gesetze, die die Kammern als faits accomplis ansahen.

Um den schlechten Ernteerwartungen entgegenzuwirken, wurde eine Reihe von Gesetzen zur Verteilung von Saatgut und ein Gesetz zur Bekämpfung der Grashüpferplage verabschiedet.

Im Zusammenhang mit der allgemeinen Preiserhöhung gab es das Gesetz über die vorläufige Aufhebung der Einfuhrzölle auf gewisse Bedarfsgüter, das gleichzeitig festlegte, dass solche Güter nicht requiriert werden können.

Der Geldmangel der Regierung war Ursache für den Beschluss eines Gesetzes, das bestimmt, dass die Personen, die bei Ausbruch des Krieges 44 türkische Pfund bezahlt hatten, um vom Wehrdienst freigestellt zu werden, nun 30 Pfund im Jahr bezahlen mussten. Gleichzeitig wurde das Wehrpflichtalter von 45 auf 50 Jahre heraufgesetzt, so dass Personen dieser 5 Jahrgänge 22 Pfund bezahlen müssen, um nicht einberufen zu werden.

Die Regierung hatte jene konzessionierten Betriebe (Eisenbahnen etc. etc.) übernommen, die von Untertanen der im Krieg mit der Türkei befindlichen Länder geleitet wurden, und ein neues Gesetz bevollmächtigt jetzt die Regierung, die Gelddepots dieser Gesellschaften einzuziehen und nach Gutdünken zu verwenden.

Was die Untertanen feindlicher Länder anbelangt ist anzumerken, dass das vorläufige Gesetz verabschiedet wurde, welches Auszahlungen an feindliche Untertanen verbietet, dass man solchen Untertanen das Recht aberkenn, aus dem Moratorium Nutzen zu ziehen etc. etc.

Außerdem werden dem Kriegsministerium für 1915 – 16 außerplanmäßig 10 Millionen türkische Pfund bewilligt, zuzüglich der 1500000 Pfund für die Anlage gewisser strategischer Eisenbahnen für dasselbe Ministerium.

Die Satzung der „Banque Agricole“ wurde geändert, und das Arbeitsgebiet der Bank durch ein Gesetz erweitert, welches ebenfalls den Kammern vorgelegt und schnell beschlossen wurde.

Wegen des Mangels an kleinerem Wechselgeld wurden Gesetze über die Herausgabe von ½ oder ¼ Pfund-Scheinen beschlossen. Durch ein anderes Gesetz wurde der Zwangsumtauschkurs von Noten der Ottomanbank, der bisher nur für Konstantinopel galt, auf das ganze Reich ausgedehnt.

Das Gesetz über die Requisition von Schiffen etc. wurde in einem Gesetz zusammengefasst, das nicht wie das frühere Gesetz die Wörter „Schiffe unter osmanischer Flagge“ enthielt, möglicherweise damit in Zukunft jede Requisition neutraler Schiffe auf der Grundlage der osmanischen Gesetzgebung durchgeführt werden könnte. Schließlich muss erwähnt werden, dass man dem Vize-Generalissimus (Enver Pascha) eine Gehaltszulage von 300 Pfund im Monat und den Armeechefs 150 Pfund monatlich bewilligte, außerdem unterschiedliche Summen für arabische Stammeschefs mit dem Ziel, der Missstimmung in Arabien entgegenzuwirken.

Mit ausgezeichneter Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


Wandel



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