1916-03-24-DK-001
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Quelle: DE/UM,/2-0355, Konstantinopel/Istanbul, diplomatisk repræsentation, 1914-1921. Kopibog, 1916 03 06 – 1919 09 22”,
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 05/24/1916
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 29
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 29

Konstantinopel, 24. März 1916.

Werter Herr Außenminister!

Die Beschaffung der wichtigsten Lebensmittel interessiert die Bevölkerung hier in besonderem Masse. Deshalb hat es großes Aufsehen erregt, als neulich das Gerücht umlief, dass die Behörden alles in der Hauptstadt befindliche Mehl anforderten. Es stellte sich heraus, dass der Stadtpräfekt Ismail Djambulat [Jambulat] Bey das Mehl anforderte, um zu verhindern, dass der Generalintendant Ismail Hakki Pascha [Ismail Hakki Bey] das Mehl für die Armee beschlagnahmt - obgleich nach einem kürzlich verabschiedeten Gesetz die Requisition von Lebensmitteln der Hauptstadt verboten ist.

Diese Requisition hat, außer Furcht und Unsicherheit in der Bevölkerung zu erhöhen, zur Folge gehabt, dass die hiesigen Importeure von rumänischem Mehl ihre Bestellungen in Rumänien annulliert haben, so dass die Gefahr von Brotmangel noch mehr als bisher gestiegen ist. Zwar wird behauptet, dass es an mehreren Orten in Kleinasien Mehl gibt, aber nur die Militärbehörden dürfen die Eisenahnen benutzen, und in vielen Teilen der asiatischen Türkei herrscht bereits Hungersnot, besonders unter der christlichen Bevölkerung.

Ein dänischer Werkmeister in einer von der Kopenhagener Firma F. L. Schmidth [F. L. Smidth] gebauten Zementfabrik zwischen Konstantinopel und Ismid hat mir gestern einige Dinge erläutert, die sicher charakteristisch für die Verhältnisse in den Vilajets sind. Wenn Mehl in die beiden nahe der Fabrik liegenden Städte gebracht wurde, von denen die eine muslimisch ist, aber nur 1500 Einwohner hat, während die andere griechisch ist mit ca. 5000 Einwohnern, könnte man immer sicher sein, dass die kleine türkische Stadt 3 bis 4 mal so viel Mehl bekommt wie die verhältnismäßig große griechische Stadt. Die griechischen Frauen müssten aus Mangel an Brot ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn sie Kräuter in den Bergen sammeln. Alle Felder in der Gegend wären nicht bestellt, aus Mangel an Saatgut und Arbeitskraft und aus Furcht vor der Requisition; Geflügel und Früchte usw. wären von den zahlreichen einlogierten Soldaten der Territorialarmee weggenommen worden, und deren Offiziere ließen es zu, und profitierten von jeder Art von Missbrauch usw. usf.

Alle Armenier in der betreffenden Stadt wären deportiert worden, aber vor zwei Monaten war eine Kolonne armenischer Frauen und Kindern vorbeigezogen, die vor lauter Hunger weinend versuchten, sich Brot zu erbetteln. Zwei Griechen, deren Hinrichtung die Tageszeitungen erwähnten, waren nur deshalb verhaftet worden, weil sie in der Nähe jener Eisenbahnbrücke gefunden wurden, die ein Offizier eines englischen Unterseebootes in die Luft zu sprengen versuchte. Die beiden waren Arbeiter in der Fabrik, und hatten mit Sicherheit nichts mit Spionage zu tun.

Kürzlich kündigten die Behörden an, dass nunmehr Petroleum billig zu bekommen sei. Als aber der arme Teil der Bevölkerung mit seinen leeren Petroleumskanistern schnell herbeieilte, gab man ihnen kein Petroleum, sondern beschlagnahmte statt dessen die Kanister, die das Militär für Befestigungsarbeiten brauchte weil Säcke fehlten, die man mit Erde füllen konnte. Es ist unter diesen Umständen kein Wunder, dass die Bevölkerung die Situation immer schwärzer sieht und immer unzufriedener wird.

Ihr ergebener


C. F. Wandel



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