1918-08-13-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. D. 1, ”Tyrkiet - Indre Forhold”. Pakke 2, fra Jan. 1917 – 1. Jan. 1919
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 08/13/1918
Telegramm-Ankunft: 08/24/1918
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: No. 72
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 72

Konstantinopel, den 13. August 1918.

Vertraulich.

Herr Außenminister,

Der von mir erwähnten Mitteilung, derzufolge der neue Sultan die Absicht habe, Berlin bald einen offiziellen Besuch abzustatten, wird in den Kreisen, die hier dem Hofe nahestehen, wenig Glauben geschenkt, und das Verhältnis zu Bulgarien usw. würde vielleicht im Augenblick auch eine solche Reise schwer möglich machen.

In Stambul sagen die Gegner der Regierung, der Sultan [Mehmet VI] sei nicht so deutschfreundlich, als dass es Grund gebe anzunehmen, er wolle ohne Not nach Deutschland reisen, aber sie fügen hinzu, dass eine Auslandsreise vielleicht doch dazu beitragen könne, seine Position zu stärken und in gewissem Maße ihn von der Vormundschaft durch die die Jungtürken zu befreien, unter der sein Vorgänger stand.

Die Freunde der Regierung haben, soweit mir zu Ohren gekommen ist, keine neuerlichen Erklärungen abgegeben, und sie sind überhaupt in ihren Äußerungen zurückhaltend.

Dem offensichtlichen Willen des Sultans, die ihm von der Verfassung zugedachten Funktionen auszufüllen, ohne die damit verbundenen Mühen und andere Nachteile zu scheuen, begegnet man, so weit ich sehen kann, in den verschiedenen politischen Kreisen Stambuls entweder mit vorsichtigem Schweigen oder mit einem gewissen passiven Wohlwollen und Verständnis, welches den Wunsch offenbart, es möge ihm in gewissem Grade gelingen, das Komitee zu neutralisieren, denn der letzte Rest des Ansehens, das die jungtürkischen Machthaber noch außerhalb ihres engsten Freundeskreises in der Bevölkerung genießen, verdanken sie offensichtlich nur ihrer Organisation und Disziplin und der Angst, die sie verbreiten. Sympathie genießen sie nicht.

Nur Talaat Pascha scheint noch einigermaßen populär zu sein, dank seiner politischen „souplesse“ [Geschmeidigkeit, Geschick], mit der er gewöhnlich zu vermeiden sucht, sich Feinde unter den Türken zu machen.

Eine andere politische Organisation als die der Jungtürken gibt es jedoch, soweit ich sehen kann, unter den Türken noch nicht, und sie hat sich bislang als so stark erwiesen, dass die Aussichten der Krone schlecht gewesen wären, wenn es unter Mehmed V zu einer Kraftprobe zwischen ihr und dem Komitee gekommen wäre.

Gewiss hat Talaat Pascha, wie berichtet, im Laufe des letzten Jahres wann immer es ihm passte erklärt, er wünschte sich zurückziehen zu können um Zeit und Gelegenheit zu haben, seine Partei zu reorganisieren, als fürchte er, die jungtürkische Organisation sei nicht mehr so stark, wie sie einst gewesen ist, aber da er weiß, was diese Organisation wert ist, und versucht hat, sie mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufrechtzuerhalten, wagt man noch nicht daran zu denken, dass sie tatsächlich im ernsthaften Verfall begriffen ist.

Die armenische Gefahr, von der Talaat Pascha vor dem Bruch mit Washington immer in der amerikanischen Botschaft gesprochen hat, wenn er sagte, er habe besondere Gründe die Armenier zu fürchten, „weil sie die jungtürkische Organisation aus der Zeit der Revolution kannten“, hat er jedenfalls erfolgreich abgewendet, wenigstens vorläufig.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


[Wandel]



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