1916-12-18-DK-001
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Quelle: DK/RA-UM/Gruppeordnede sager 1909-1945. 139. D. 1, ”Tyrkiet - Indre Forhold”. Pakke 1, til 31 Dec. 1916
Erste Internetveröffentlichung: 2010 August
Edition: Dänische diplomatische Quellen
Telegramm-Abgang: 12/18/1916
Telegramm-Ankunft: 12/28/1916
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 176
Übersetzung: Michael Willadsen
Zustand: A
Letzte Änderung: 04/03/2012


Der Gesandte in Konstantinopel (Carl Ellis Wandel) an den Außenminister (Erik Scavenius)

Bericht



Nr. 176

Konstantinopel, 18. Dezember 1916.

Vertraulich.

Herr Außenminister,

Wir bekommen immer noch keine Parlamentsprotokolle, aber wie ich höre, hat die Opposition im Senat seit der Sitzung am 7. dieses Monats nicht mehr das Wort ergriffen. Vielleicht ist ihnen der Gedanke gekommen, dass es nicht weit ist vom Kapitol zum Tarpejischen Felsen [dem Hinrichtungsplatz im Alten Rom].

Der Oberstkommandierende in Syrien, der ehrenamtliche Marineminister Djemal Pascha [Ahmed Cemal Pascha], von dessen Ankunft ich bereits berichtet habe, sagt mir heute, dass er am Freitag auf seinen Posten in Damaskus zurückkehrt, und das wird er wahrscheinlich auch tun, wenn die Entente das Friedensangebot der Türkei ausschlägt.

Der Pascha kam hier an, als die Verhandlungen um das Friedensangebot zwischen den Zentralmächten und der Türkei begannen, und gerüchteweise wurde seine Anwesenheit sofort mit einer eventuellen personellen Änderung der Regierung im Zusammenhang gebracht, die im Falle von Friedensverhandlungen vielleicht auch notwendig werden könnte.

Djemal Pascha, dessen Stern aufgeht, ist in Bezug auf Alter, Energie und Ehrgeiz mit Enver Pascha gleichzusetzen, und da er außerdem ganz Staatsmann und Politiker ist, hat man seit langem gedacht, dass er an die Macht kommen würde, wenn Enver Pascha und die deutsche Partei Schwierigkeiten bekommen sollten.

Wenn die Entente überhaupt mit der jungtürkischen Regierung verhandeln will, wird sie es eher mit Djemal Pascha und Djavid Bey [Mehmet Cavit Bey] tun denn mit Enver Pascha und Talaat Pascha, die sie persönlich [für den Mord an den Armeniern]verantwortlich macht.

Djemal Pascha, der kurz vor dem Krieg zu Besuch in Frankreich war, wo er hoch geehrt wurde, hat genauso wenig wie Djavid Bey die jetzt bestehende Abhängigkeit von Deutschland gutheißen wollen, als er im Ministerium verblieb, und als der Krieg ausbrach, zog er es vor, die Hauptstadt zu verlassen und das Kommando über die IV. Armee in Syrien zu übernehmen, wo er seither höchst geschickt regiert hat.

Wie aus den vielen Vorkommnissen, von denen ich bereits berichtet habe, hervorgeht, scheint Djemal Pascha ein wahrer Despot zu sein, doch ist er im Heer beliebter als Enver Pascha, und der Rest von Unabhängigkeit, den die Türkei noch besitzt, ist zum großen Teil ihm zu verdanken. Wo seine Herrschaft beginnt, in Adana, endet der deutsche Einfluss. Er ist in seiner Armee streng und gerecht gegenüber den deutschen Offizieren, was ihn populär macht und was für Enver Pascha nicht so einfach ist.

Dass Djemal Pascha nicht – wie Prinz Said Halim Pascha – nominell den Posten des Großwesir in einer Regierung übernehmen wird, in der Enver Pascha und Talaat Bey die Macht haben, ist klar. Für ihn und Enver Pascha ist kaum Platz im selben Ministerium und es ist sogar zweifelhaft, ob er mit Talaat Bey zusammenarbeiten könnte, obwohl dieser, wohl der bedeutendste Politiker des Landes, höchst wahrscheinlich hinter Djemal zurückstehen würde, wie er es auch bisher bei Enver getan hat, bis seine Zeit gekommen ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang an meine früheren Bericht erinnern darüber, dass während des Krieges mehrmals Gerüchte im Umlauf waren, dass Djemal Pascha, der aus vielen Gründen als ein Freund der Entente gilt, auf eigene Faust mit England und Frankreich verhandelt hatte, und dass er sogar einmal verdächtigt wurde, einen Sonderfrieden für Syrien, Libanon und Palästina u.a. abschließen zu wollen. Aber es fiel ihm nicht schwer nachzuweisen, dass der Verdacht, den man gegen ihn hatte, unbegründet war und dass man seinem Patriotismus und seiner Loyalität vertrauen konnte.

Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich, Herr Minister, Ihr ergebenster


Wandel



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